Hidden Lies. Mein Geheimnis kann dich töten
Autorin: Charlotte Richter
Im Jahr 2037 ist die Weltbevölkerung durch ein Virus drastisch reduziert worden, und das auf tragischste Art und Weise, denn die mit Morbus Shade Infizierten haben ihre Mitmenschen angegriffen und getötet. Zwischenzeitlich kann die Erkrankung zwar in Schach gehalten werden, aber die Menschen stehen sich nun in Angst und Misstrauen gegenüber. Obwohl letztlich alle Opfer sind, gibt es einerseits die Angehörigen der Attackierten und andererseits die durch Infektion zu unfreiwilligen Mördern gewordenen. Noch dazu ist unklar, wie lange die Kontrolle über den Morbus Shade beibehalten werden kann.
Dieses schreckliche Szenario, das durch seine Aktualität bei mir für zusätzliche Gänsehaut gesorgt hat (Wer gedacht hat, schlimmer als mit Corona und Krieg kann es nicht mehr werden, wird hier eines Besseren belehrt), wird zumeist aus der Perspektive der infizierten Kara erlebt, die gezwungenermaßen ihren Gesundheitsstatus verheimlicht, auch wenn sie damit ihre frisch aufblühende Beziehung zu Adrian auf Lügen aufbaut.
Auch wenn es sich um einen Jugendroman handelt, ist dieser in seiner dystopischen Düsterheit kompromisslos und versucht nicht, die schwierigen, schmerzhaften Themen zu umschiffen. Vielmehr werden diese direkt angegangen und aus unterschiedlichen Gesichtspunkten beleuchtet, was teilweise fast etwas Philosophisches hatte. Außerdem gibt es jede Menge Gewalt, die Welt ist grausam und die Menschen zeigen sich häufig von ihrer schlimmsten Seite. Dennoch gelingt es der Autorin immer wieder einen Schimmer Hoffnung aufkommen zu lassen, ohne dass in Disney-Manier auf einmal die perfekte, einfach Lösung aus dem Hut gezaubert wird. Dieses Buch ist ernsthaft, aber ohne zu verstören und es setzt sich auch mit vielen Konsequenzen von Handlungen auseinander, die sonst gerne mal übergangen werden. Dafür kann man die Autorin nur bewundern.
Die Liebesgeschichte war für mich im Vergleich dazu eigentlich weniger interessant und hat hauptsächlich durch Karas Geheimnis ihre gewisse Spannung erhalten. Aber sie hat der Geschichte auch wieder etwas Jugendlichkeit verliehen, was eine gewisse Balance mitgebracht hat, selbst wenn ich sie persönlich nicht unbedingt gebraucht hätte. Wenn sie allerdings den Hauptantrieb der Handlung dargestellt hätte, wäre das wohl etwas dürftig gewesen, glücklicherweise ist sich dieser Aspekt trotzdem gut ausgegangen.
Vom Inhaltlichen abgesehen ist dieses Buch auch handwerklich gut gemacht: Der Hauptteil der Geschichte ist zwar aus Karas Sicht geschrieben, aber es gibt immer wieder kurze Einschübe aus der Perspektive anderer Personen, sodass diese gespaltene Gesellschaft facettenreich abgebildet wurde und man mehr Einblicke in das Geschehen bekam. Diese anderen Sichtweisen waren sehr bereichernd und ich habe sie immer wieder gerne gelesen, da sie auch sprachlich an die jeweiligen Figuren angepasst waren und so immer etwas Frische mit reinkam.
Alles in allem ist diese toll geschriebene Dystopie nur zu empfehlen, wobei man sich bewusst sein sollte, dass sie nicht ganz leicht zu verdauen ist und definitiv noch zum Nachdenken anregt. Wer auf der Suche nach leichter Unterhaltung ist, wird hier eher nicht fündig, aber allen anderen kann ich „Hidden Lies“ nur ans Herz legen.
*Erschienen bei Arena*
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Autorin / Autor: Miriam W. - Stand: 19. September 2022