Im Wespennest
Autor: Bart Moeyaert
Der Roman „Im Wespennest“ von Bart Moeyaert handelt von einem Mutter-Tochter-Konflikt zwischen der Protagonistin Suzanna und ihrer Mutter Edith.
Erst im Laufe des Buches erfährt man, worum es bei diesem Streit geht und wie es den beiden Charakteren ergangen ist, um dort anzukommen, wo sie jetzt sind. Als Suzanna gerade mal sieben Jahre alt ist, wird ihr Vater versehentlich bei einer Jagd erschossen. Ihre schon davor sehr sensible und unstabile Mutter wird durch den Tod ihres Mannes depressiv und scheint ab diesem Moment unnahbar zu sein.
Der Einstieg des Romans ist dem Autor sehr gelungen, denn ab dem ersten Satz ist man mitten im Geschehen: Die Geburt von Suzanna, geschrieben aus ihrer Sicht. Diese Sichtweise behält der Autor aber nicht den ganzen Roman bei. Das Einzige, was während des ganzen Romans gleich bleibt, ist die Neutralität mit der Moeyaert jede noch so spannende Situation schildert.
Die Zeiten der Kapitel wechseln ständig: In dem einen Kapitel erinnert sich Suzanna, das nächste spielt in der Gegenwart. So lernt man Stück für Stück die Vergangenheit und das Schicksal der beiden miteinander zerstrittenen Frauen kennen. Aus diesem Wechsel von Vergangenheit und Präsens heraus entsteht ein ständiger Wechsel der Erzählperspektiven, die es mir ungemein erschwert hat, mich in Suzanna hineinzuversetzen und ihre Beweggründe zu verstehen.
Es gibt zwei große Konflikte in dem Buch: Der eine spielt sich zwischen der 14-jährigen Suzanna in der Gegenwart und ihrer Mutter ab, der zweite zwischen dem Dorf und vereinzelten Leute, zu denen auch das zerstrittene Mutter-Tochter-Gespann zu gehören scheint. Bei dem Konflikt geht es um einen Hundezwinger und den Lärm der Hunde. Die größere Partei möchte den Hundezwinger beseitigen lassen, die Opposition, von der man am Anfang nur Suzanna und Edith kennen lernt, hält aus Solidarität zu dem Hundebesitzer.
Obwohl die Situationen bis in das kleinste, noch so unwichtige Detail beschrieben werden, lässt der Autor die wichtigen und zum Verständnis wichtigen Informationen aus, und der Ausgang der Situation bleibt mehrmals offen.
Der Klappentext deutet an, dass ein junger Mann, ein Marionettenspieler, Suzanna den Kopf verdreht und sie daraufhin den Mut findet, den Konflikt mit ihrer Mutter auszutragen. Der junge Mann, Wolfang, spielt allerdings keine so große Rolle wie ich aufgrund des Klappentextes erwartet hatte, er gibt lediglich Suzanna den letzten Stoß in die richtige Richtung: „Du kannst wählen. […] Entweder bohrst du mit dem Finger im Nest […] oder du rennst ganz schnell weg. […] Du bist schließlich allein, Suzanne”.
Dieser Satz scheint die Protagonistin aufzurütteln und sie entschließt sich den Konflikt mit ihrer Mutter auszutragen.
Der Roman war im großen und ganzen keine leichte Urlaubslektüre, sondern ein Buch bei dem man sorgfältig Satz für Satz einzeln und genau lesen muss, um die versteckte Nachricht zu entdecken und zu verstehen.
Meiner Meinung nach hat der Autor dieses eine Schicksal gerade deswegen so genau beschrieben, und dann am Ende doch alles offen gelassen, damit der Leser sich die Botschaft so interpretieren kann, wie er es gerne hätte, um es dann auf eigene Erfahrungen beziehen zu können.
„Im Wespennest“ ist ein anspruchsvolles Buch, das zum Nachdenken anregt und den Leser seine eigenen Erfahrungen mit ähnlichen Konfrontationen und Auseinandersetzungen noch einmal überdenken und in einem andern Licht sehen lässt.
*Erschienen bei dtv*
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Autorin / Autor: anna95 - Stand: 25. März 2013