Unerträglich lang oder traumhaft kurz
Studie: Wer weiß, wie lange etwas dauert, erlebt dies intensiver
Wer kennt das nicht, das Gefühl, dass die Zeit einfach nicht vergehen will – zum Beispiel, wenn man am Bahnsteig auf den Zug wartet und am liebsten schon längst zuhause wäre. Andererseits gibt es auch Momente, in denen man sich wünscht, dass die Zeit stehenbleibt und dieser Augenblick nie vorüber geht. Doch wie sieht es aus, wenn wir genau wissen, wann der schrecklich langweilige Pflichttermin zu Ende geht oder wann wir uns von unserem Liebsten wieder verabschieden müssen? Ertragen wir unangenehme Situationen besser, wenn wir genau wissen, wann sie enden? Und vermiest uns das Bewusstsein über das baldige Ende etwa die schönen Momente? Dieser Frage sind Min Zhao und Claire Tsai von der University of Toronto in zwei Experimenten nachgegangen. Sie sind der Meinung, dass das Wissen um die Zeitdauer unsere Erfahrungen intensiviert: die positiven werden noch schöner und die negativen noch lästiger.
Extra Lerneinheit nach einem langen Schultag
An der ersten Studie nahmen 83 taiwanesische SchülerInnen teil. Nach einem langen Schultag sollten sie eine extra Lerneinheit einlegen. Der einen Hälfte von ihnen sagten die Forscherinnen, dass diese Extraschicht exakt 60 Minuten dauern würde. Die zweite Gruppe ließen sie im Unklaren über die genaue Zeitdauer. Die SchülerInnen konnten sich hier lediglich auf eine Zeitspanne zwischen 30 und 90 Minuten einstellen. Nach der Lerneinheit sollten alle StudienteilnehmerInnen auf einer Skala angeben, wie wohl sie sich während der Zusatzübung gefühlt hatten. Das Ergebnis: Die erste Gruppe, die über die genaue Zeitdauer bescheid wusste, empfand die Übungseinheit langwieriger und war unzufriedener als diejenigen, die zuvor nicht wussten, wie viel Zeit sie opfern müssen.
In einem zweiten Experiment spielte das Forscherteam 139 jugendlichen Testpersonen einen 30-sekündigen Musicclip vor. Die eine Gruppe durfte sich den Gesang eines bekannten Popstars anhören, die andere musste das Geträller „ertragen“, das eine der beiden Forscherinnen eingesungen hat. Auch hier war das Ergebnis eindeutig: Wer wusste, wie lange die Aufnahme dauert, reagierte intensiver – sowohl im guten als auch im schlechten Sinne. Die Gruppe, die dem Popsänger lauschte, genoss den 30-sekündigen Gesang ausgiebig. Die Gruppe, die die schiefen Töne auf’s Ohr bekam, empfand diese noch schrecklicher, bei dem Wissen, wie lange diese anhalten werden.
Die Ergebnisse überraschten das Forscherteam. Ist man bisher doch immer davon ausgegangen, dass es uns leichter fällt, lästige Momente zu durchleben, wenn wir wissen, wann sie enden.
Da hilft bei dem nächsten Pflichttermin dann wohl nur, die Zeit zu verdrängen oder sich abzulenken und an etwas Schönes zu denken ;).
Autorin / Autor: Redaktion, - Stand: 11. Mai 2011