Jaworte aus Armut
Alle zwei Sekunden werden weltweit minderjährige Mädchen verheiratet, anstatt weiter zur Schule gehen zu dürfen, sagt Studie der Hilfsorganisation CARE.
Stellt euch vor, ihr habt die Grundschule verlassen und anstatt das fünfte Schuljahr auf einem Gymnasium oder einer anderen Schule zu besuchen, sollt ihr jetzt heiraten und eine Familie gründen. Hierzulande undenkbar - in 26 anderen Ländern dieser Welt ist es Alltag, dass eine Zwangsehe für Mädchen unter 18 Jahren wahrscheinlicher ist, als eine weiterführende Schule zu besuchen. Dies zeigt die am 5. Oktober 2015 von der Hilfsorganisation CARE veröffentlichte Studie "Vows of Poverty" - zu Deutsch: Jaworte aus Armut.
39.000 Mädchen täglich werden laut der CARE-Studie weltweit zur Ehe gezwungen – alle zwei Sekunden eine neue Kinderehe! Gleichzeitig gehen 62 Millionen Mädchen nicht zur Schule. „Der Traum meines Schulbesuchs ist vor langer Zeit gestorben“, berichtet etwa Jobeda Begum aus Bangladesch in dem Bericht. Sie wurde mit 15 Jahren zur Ehe gezwungen und musste daraufhin die Schule beenden.
Vor allem soziale Normen, die die Rechte junger Mädchen abwerten, seien daran Schuld, dass so viele Kinderehen geschlossen würden. Hinzu kommen der Menschenhandel mit Mädchen, Abhängigkeiten von Mitgiftregelungen sowie Bürgerkriege wie in Afghanistan oder Mali. Auch klimatische Verhältnisse verschlimmern die Probleme. "Wenig Regen bedeutet`Dürre-Bräute`: für viele Familien sind frühe Hochzeiten eine Überlebensstrategie, sie bedeuten eine Person weniger zu versorgen und Geld vom Brautpreis, mit dem Nahrung gekauft werden kann", heißt es in dem Bericht.
Im Niger heiraten 76 Prozent der Mädchen unter 18 Jahre; nirgendwo anders auf der Welt sind es so viele. Und mit der Eheschließung ist die Schulbildung vorbei: Nur 10 Prozent sind in einer weiterführenden Schule eingeschrieben. Auch im Tschad, der Zentralafrikanischen Republik, im Südsudan und in Somalia werden 40 Prozent mehr Mädchen vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet als das sie eine weiterführende Schule besuchen.
„In vielen Ländern besuchen Mädchen mittlerweile die Grundschule – häufig ist das im nationalen Gesetz auch so verankert. Aber sobald Mädchen in die Pubertät kommen, sind sie Risiken wie Zwangsehe, Gewalt, Schwangerschaft und sexuellen Übergriffen ausgesetzt. Auch ihre Schulausbildung endet dann“, so CARE-Generalsekretär Karl-Otto Zentel. Der Bericht zeigt einige Lösungsansätze für die Abschaffung der Kinderehe, die sich in Ländern wie Bangladesch, Nepal, Äthiopien oder Malawi bereits bewährt haben. Dazu zählt etwa eine CARE-Initiative in Äthiopien, bei dem die Gesundheit von über 5.000 Mädchen durch Unterstützergruppen verbessert und ihnen eine Ausbildung gewährt werden konnte.
CARE fordert ein Ende der Kinderehe bis 2030 und dass Staaten den bei der UN-Generalversammlung beschlossenen Nachhaltigkeitszielen jetzt auch Taten folgen lassen und Lücken in der Gleichstellung der Geschlechter schließen.
„Es sollten nicht mehr Mädchen vor den Altar treten, als Mädchen den Klassenraum einer weiterführenden Schule von innen sehen“, so Zentel. „Es muss wachrütteln, dass diese Praxis in vielen Ländern Alltag ist. Jedes Mal, wenn ein Mädchen unter 18 Jahren zur Ehe gezwungen und davon abgehalten wird, die Schule zu besuchen, ist das eine vertane Chance: für das Leben dieses Mädchens, aber auch für die Bekämpfung der Wurzeln der Armut.“
Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 6. Oktober 2015