Das Bundeswirtschaftsministerium verkündete Mitte Januar eine Einigung von Bund und Ländern in Sachen Kohleausstieg. Damit soll der erste Schritt in Richtung Kohleausstieggesetz gemacht sein. Klimaaktivist_innen und Betroffene in den Braunkohleregionen reagierten prompt. Ein Kommentar von Karla
Brennende Wälder, überflutete Städte und heimatlose Menschen und Tiere. Der Klimawandel macht ernst und lässt es uns alle auf die eine oder andere Art spüren. Deutlich spiegelt sich das auch in dem Diskurs, der seit einigen Wochen und Monaten rund um die Themen Umweltschutz und den Klimawandel entsteht und sich – ganz wie das Klima selbst - nach und nach aufheizt. Ganz vorne mit dabei sind nämlich nicht nur Klimagerechtigkeits- und Umweltaktivist_innen, sondern auch solche, die sie verunglimpfen. Das zeigt auch der Begriff „Klimahysterie“, der letzte Woche zum Unwort des Jahres 2019 gekürt wurde. Leugner_innen der Krise nutzen den Begriff, wenn sie den Engagierten eine unverhältnismäßige Besorgnis nachsagen wollen. Aber sind die Sorge und die darauf reagierenden (Protest-) Aktionen überhaupt unverhältnismäßig? Könnte man nicht vielmehr sagen, dass viel zu viele von uns einfach hinnehmen, was da passiert?!
*Der Klimawandel wartet nicht*
Denn es gibt durchaus Grund, mit einer gewissen Dringlichkeit auf den Klimawandel hinzuweisen. Und auch Situationen, die uns den Klimawandel mehr als klar vor Augen führen. Australien zum Beispiel steht seit Wochen in Flammen und egal wie sehr die Regierung beteuert, dass es schon immer Buschbrände gegeben habe, dieses Ausmaß hat nichts mehr mit einer gesunden Flora und Fauna zu tun! Ähnliches gilt für Venedig. Auch hier wird die eine oder der andere Kritiker_in einwenden, dass die Lagunenstadt immer mal wieder mit Acqua Alta zu kämpfen hatte. Die Bilder, die im letzten Winter um die Welt gingen, lassen allerdings daran zweifeln, dass es sich dabei um das „gewöhnliche“ Winterhochwasser handelte.
Wem das alles zu abstrakt ist, die kann einfach mal versuchen, sich ein paar Monate zurückzuversetzen. Egal wie verlockend beim aktuellen Wetter ein paar Sonnenstrahlen scheinen mögen: Die letzten Sommer hier in Europa waren heißer und trockener als uns allen lieb war. Und nicht nur Menschen, die in Dachgeschosswohnungen leben, haben unter der Hitze gelitten. Immer wieder hat man von Landwirt_innen gehört, die entweder so miserable Ernten eingefahren haben, dass sie sich kaum über Wasser halten konnten oder die einige ihrer Tiere notschlachten mussten, da nicht mehr genug Futter geerntet werden konnte, um die Tiere vernünftig zu versorgen. Aber es gibt auch Hoffnung. Betroffene Landwirt_innen und aufgebrachte Verbraucher_innen protestieren regelmäßig, die Fridays for Future Demos treiben Tausende auf die Straße und auch der Hambacher Wald hat viele hinter dem Ofen hervorgelockt. Von Seiten der Regierung hingegen kommt hingegen eher weniger.
*Die Einigung von Bund und Ländern*
Das zeigt sich auch jetzt wieder. Am 16. Januar des neuen Jahres hat das Bundeswirtschaftsministerium verkündet, dass sich im Bundeskanzleramt auf einen Einstieg in den Kohleausstieg geeinigt werden konnte. Das heißt, dass die Regierung angefangen hat, sich aufgrund der Empfehlung der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ (die einigen besser unter dem Namen Kohlekommission bekannt sein dürfte) Gedanken um das Kohleausstieggesetz zu machen. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier zufolge wurde bei den Gesprächen ein Stilllegungspfad festgelegt und ein Rahmen für die Entschädigung festgesteckt. Er spricht davon, dass so ein geplanter und wirtschaftlich „vernünftiger“ Ausstieg aus der Kohle möglich sei. Im Klartext heißt das, dass über einen langsamen Ausstieg aus der Kohle Verstromung bis 2038 gesprochen wird.
Für Klimaaktivist_innen und die Menschen, die in den deutschen Braunkohlegebieten leben, ist diese Entscheidung nicht nur nicht genug, sondern: „Eine Katastrophe für uns Menschen in den Dörfern“, so Britta Kox in der Pressemitteilung der Initiative Alle Dörfer Bleiben. Denn die Einigung zwischen Bund und Ländern greift zwar die Forderung der Kohlekommission auf, dass der Hambacher Wald nicht abgebaggert wird, gleichzeitig ist davon die Rede, dass der Tagebau Garzweiler nicht nur weiter aktiv betrieben werden soll, sondern die vorgesehenen Umsiedlungen auch weiterhin eingeleitet werden. Wenn der Ausbau des Tagebaus wie hier festgehalten vorangebracht werden soll, heißt das für sechs weitere Dörfer, dass sie von Umsiedlungsplänen betroffen sind.
Bei dem Weiterbetrieb der Kohlekraftwerke geht es laut der Regierung um Versorgungssicherheit. Das Vertrauen der Regierung in die erneuerbaren Energien scheint also bei weitem nicht groß genug, was auch damit zu tun haben könnte, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien nicht schnell genug vorangeht. Im Schnitt lag der Anteil der Erneuerbaren am Energiehaushalt im Jahr 2019 bei 46,2 Prozent. Das ist nicht schlecht, auch wenn da ist eindeutig noch Luft nach oben ist!
Die Energieversorgung bis 2038 durch Kohleverstromung zu garantieren, geht aber nicht nur an dem Pariser Klimaabkommen vorbei, sondern widerspricht auch dem Wunsch der Verbraucher_innen, die im vergangen Jahr scharenweise von Kohlestrom auf regenerative Energien umgestiegen sind.
Klar, 100% des Energiebedarfs werden im Jahr 2020 noch nicht durch erneuerbare Energien abgedeckt werden. Aber Versorgungssicherheit durch Kohlestrom bis 2038- das kann doch nur ein Witz sein? Und nicht nur die Braunkohle, auch andere Energielieferanten aus dem Strommix regen zum Nachdenken an. Schließlich sind Kernkraft oder importierte Steinkohle ebenfalls keine akzeptablen Alternativen zu regenerativer Energie.
*Knete statt Kohle*
Geld genug um einen rasanten Ausbau Wind- und Solarkraftanlagen voranzutreiben, scheint vorhanden zu sein. Schließlich ist ja auch genug Geld da, um den Betrieben, die ihre Kohlekraftwerke vom Netz nehmen sollen, den Ausstieg noch zu vergolden. Ähnlich wie beim Atomausstieg fasst man sich hier schon an den Kopf. Diejenigen, die jahrelang Feinstaub und CO2 en masse in die Atmosphäre gepustet haben, bekommen jetzt noch einen dicken Batzen Geld.
Immerhin an einer Stelle möchte die Regierung sparen: Statt dem Betreiber Uniper ebenfalls eine Entschädigung für den Ausstieg zu bezahlen, lassen sie das Steinkohlekraftwerk Datteln IV lieber neu ans Netz gehen. Tja, das nennt man dann wohl an der falschen Stelle gespart. So sieht es zumindest das Aktionsbündnis Ende Gelände, dessen Sprecherin Kathrin Henneberger angekündigt hat, ebenso erbittert gegen die Inbetriebnahme von Datteln IV zu kämpfen, wie vormals um den Erhalt des Hambacher Forsts. Die Aktionen zivilen Ungehorsams und das Kräftemessen um den Kohleausstieg werden also weitergehen, denn eines ist klar: Die aktuellen Vorhaben der Regierung reichen nicht für einen sauberen Cut mit den schmutzigen Energien.
Die Initiative Alle Dörfer Bleiben, die sich aus Betroffenen aus den Braunkohlegebieten in Deutschland und Aktiven aus der Klimagerechtigkeitsbewegung zusammensetzt, ruft daher für den 08. März 2020 zu einem gemeinsamen Protest-Spaziergang durch Keyenberg auf. Das ist eine Chance, der Regierung zu zeigen, dass die Umsiedlung von Menschen, die Zerstörung ihres Zuhauses für die Förderung eines klimaschädlichen Rohstoffs vieles ist, aber bestimmt nicht in Ordnung. Wer in diesem Zusammenhang auf die Idee kommt, die Menschen als hysterisch zu bezeichnen, denen dieser Planet am Herzen hängt, der oder die sollte sich den Anfang dieses Kommentars noch einmal durchlesen. Denn nach uns die Sintflut ist schließlich nichts, was wir den zukünftigen Generationen antun wollen, oder?
Autorin / Autor: Karla Groth - Stand: 20. Januar 2020