Die Lehren aus Fukushima
Greenpeace-Studie: AKW-Unfälle wahrscheinlicher als angenommen
Ein Jahr nach der Atomkatastrophe sind die schrecklichen Bilder aus Fukushima immer noch nicht vergessen. Wie auch? Die Nachwirkungen werden auch in den nächsten Jahrzehnten noch zu spüren sein. Doch nicht die Naturkatastrophe allein war schuld an dem Unglück. Systematisches Versagen von Politik und Industrie in Japan waren verantwortlich für den mehrfachen Super-Gau in der Atomanlage Fukushima Daiichi im März 2011. Dies belegt eine aktuelle Studie von Greenpeace. Auch ein Jahr nach der vom Menschen verursachten Atomkatastrophe hat sich an den grundsätzlich fehlerhaften Gesetzen und Vorgaben für die Industrie wenig geändert.
Noch immer gefährdet die systematische Unterschätzung der Risiken durch Atomenergie weltweit viele Millionen Menschen. "Die Tsunami-Gefahr war lange bekannt. Behörden und Institutionen haben es jedoch verpasst, die Gefährdung durch Atomkraftwerke zu erkennen und entsprechende Sicherheitsstandards festzulegen", sagt Heinz Smital, Atomexperte bei Greenpeace. "Mit selbstgefälliger Haltung wurden Risiken einfach beiseitegeschoben."
Viele Entscheidungsträger und Aufsichtsbehörden stellen sich nun hauptsächlich die Frage, wie das öffentliche Vertrauen in die Atomkraft wieder hergestellt werden kann, anstatt die gefährlichsten Reaktoren stillzulegen. Die Greenpeace-Studie belegt zudem, dass das Versagen der Institutionen nicht auf Japan beschränkt ist. Die Internationale Atomenergie Organisation (IAEO) rühmte bei einer Überprüfung in den Jahren 2007 und 2008 die vorbildliche Organisation der japanischen Atomaufsicht. Bevor diese 2011 das Gegenteil bewies. "Sichere Atomkraft ist ein Mythos. In jedem Atomkraftwerk kann es zu einem Super-Gau kommen", sagt Heinz Smital. "Die Menschen dürfen nicht länger der unterschätzten Gefahr durch Atomkraft ausgesetzt werden."
*Entscheidende Risikofaktoren werden nicht berücksichtigt*
Wie eine weitere Greenpeace-Studie zeigt, sind schwere Unfälle in einem Atomkraftwerk erheblich wahrscheinlicher als Atomaufsichten und Wissenschaft bisher annehmen. Sie deckt gravierende Mängel in der so genannten Probabilistischen Risiko-Analyse (PRA) auf, die unter anderem für die Ermittlung von Unfallwahrscheinlichkeiten verwendet wird.
"Atomkraftwerke dürfen in Deutschland nur betrieben werden, weil die Wahrscheinlichkeit für einen schweren Unfall als absolut gering erachtet wird", erklärt Heinz Smital, Atomexperte von Greenpeace. "Grundlage dafür ist die PRA. Doch die ist fehlerhaft." Laut PRA müsste der Zeitabstand zwischen Kernschmelzunfällen in Jahrhunderten zu messen sein. Tatsächlich haben sich in den letzten 30 Jahren aber fünf Kernschmelzunfälle ereignet. Entscheidende Unfallszenarien bildet die PRA nur unzureichend oder gar nicht ab. Greenpeace fordert deshalb, die Zahlen dieser Methode im Umgang mit Nuklearanlagen nicht mehr zu verwenden.
Unabhängig von der Katastrophe in Fukushima zeigt die Greenpeace-Studie anhand von fünf Beispielen aus westlichen Atomreaktoren, welche systematische Unterschätzung des atomaren Risikos die PRA beinhaltet. Die Wahrscheinlichkeitsanalysen können die Realität nicht vollständig erfassen. Mehrfachausfälle von Sicherheitssystemen und Alterungsvorgänge in einem Atomkraftwerk werden nur unvollkommen berücksichtigt. Auch bei Einwirkungen von außen gibt es große Unsicherheiten. "Die PRA kann bei einem einzelnen AKW die Sicherheitsmängel aufdecken", sagt Heinz Smital. "Die Gefahr, die der Gesellschaft durch Atomkraft droht, ist aber weitaus größer als die Risiken, die die PRA ermittelt." Greenpeace fordert daher einen schnelleren Ausstieg aus der Atomkraft bis 2015 in Deutschland. Auch im Ausland müsse die Bundesregierung auf ein Ende der Atomkraft dringen.
Autorin / Autor: Pressemitteilung - Stand: 1. März 2012