Lou und ihr Männerballett
Autorin: Nat Luurtsema
Es ist ein schönes Buch – nach der Ankündigung, dass die Autorin Comedian ist und das Buch schon diverse Lorbeeren von „Erwachsenenzeitschriften“ bekommen hat, hatte ich allerdings etwas „erwachseneres“ erwartet. Lou ist 15. Wenn man sich auf die Geschichte einlässt, macht sie Spaß, auch wenn ich nicht so viel gelacht habe, wie ich gedacht hätte – nein, eigentlich habe ich auch das erwartet. Vielleicht ist das dem Buch am Anfang zum Verhängnis geworden: Meine Erwartungshaltung. Sobald man etwas „Hohes“ erwartet, ist man mit „weniger“ – auch wenn es gut ist – nicht wirklich zufrieden.
Außerdem war mir Lou sehr fremd. Sie hat nur eine Freundin und war absolute Hochleistungssportlerin – bis sie im entscheidenden Rennen scheitert und ihre Freundin jedoch in das „Quasiolympiavorbereitungslager“ fährt. Die Freundin (Hannah) bleibt erstaunlich farblos – bis zum Ende. Lou dagegen suhlt sich sehr lange in Selbstmitleid und ist eine große Außenseiterin in der Schule. Auch wenn nicht wirklich klar ist, warum. Diese Unklarheit zu den Hintergründen bleibt bestehen. Sowohl in Bezug auf Lous familiäre Situation, das geteilte Zimmer mit ihrer Schwester und die Entscheidung der "Aquariumjungs" für Lou als Trainerin (sowie deren Entscheidung zum Synchronschwimmen).
Zur Familie: Der Vater ist arbeitslos und wohnt daher trotz Scheidung unerwarteterweise wieder bei seiner Familie. Wo hat er davor gewohnt? Warum muss Lou daher mit ihrer Schwester zusammen in einem Zimmer wohnen?
Zum Zimmer und der Schwester: Warum musste nicht die Schwester zu Lou ziehen? Warum hat die Mutter ständig Dates und ist dennoch eifersüchtig, wenn ihr Exmann jemanden wegen des Aussehens lobt? Warum wird Lous Schwester, die am Anfang eine absolute Zimtzicke ist, plötzlich menschlich und unterstützt Lou?
Zu den Jungs: Warum wählen sie Lou als Trainerin, auch wenn sie sie anfangs weder kennen noch mögen? Warum sind sie cool und tanzen trotzdem (einer war immerhin Balletttänzer - und ist trotzdem cool? Das ist mal ungewöhnlich)? Und wieso wechseln sie zu Synchronschwimmen, aber man darf es nicht so nennen? Warum hängen sie beim Schwimmbad rum? Sind sie durch die andere Gruppe auf Wasserspiele gekommen? Die Beweggründe der Charaktere fehlen mir leider sehr, auch ihre Entwicklung ist nicht nachvollziehbar. Schade.
Versteht mich nicht falsch, zwischendrin hat mir das Buch sehr viel Spaß gemacht, und diverse Situationen (der Einbruch ins Aquarium, weil kein anderes Übungsbecken frei ist … und wie von da aus alles komplett aus dem Ruder läuft) sind grotesk und wahnwitzig witzig. Nur hätte ich mir für die Figuren mehr Tiefe gewünscht. Die böse Extrainerin, die blöde Superfeindin, die alle mögen und die alles hat … sehr viel ist schwarz-weiß gehalten. Auch die angedeutete Essstörung von Hannah (was ein komplett neues Feld aufgerollt hätte) wird nur „en passant“ erwähnt.
Ich würde das nächste Buch von Nat Luurtsema gern lesen, weil ich hoffe, dass der Charakteraufbau sich noch ändert. Gleichzeitig ist es Kritik auf hohem Niveau … wenn ihr, wie ich, eine Wasserratte seid, erkennt ihr zumindest Teile wieder. Probiert mal, ob das Buch für euch passt und richtet euch nicht zu sehr nach meiner Nase. Wie Lou am Ende festhält: Jeder schwimmt sein eigenes Rennen (ihr wisst schon, jeder lebt sein eigenes Leben und seine eigenen Entscheidungen …)
*Erschienen bei cbt*
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Autorin / Autor: Jana - Stand: 7. April 2017