Mit den Aussagen Lupe Fiascos in seinen Liedern kann man Politik und Wissenschafts-Diskussionsrunden starten und Verschwörungstheorien aufbauschen. Aber auch einfach guter Rap, findet luisa1995?
30.10. an luisa1995?
Das Intro muss ich erst einmal verkraften. Strukturiert wie ein Poem, schleudert es mit losen Begriffen um sich, welches mehrere Szenarien inszeniert, die es in sich haben. Weder gerappt noch gesungen, sondern gesprochen von einer Frau. Später finde ich heraus, dass das Lied „Ayesha says“ heißt. Warum nicht früher, fragt ihr euch, ich hätte doch bloß auf die Hülle gucken müssen? Bei dem Provokateur Lupe Fiasco nicht der Fall. Das Cover, das Inlay und die Rückseite der CD sind nur eins: schwarz. Komplett. Keine lyrics, keine Titel, nur ein kleiner Aufkleber, an dem sich erkennen lässt, dass diese Platte tatsächlich von ihm stammt. „FOOD & LIQUOR II“ heißt sie. Es geht durch und durch um Gewalt, Korruption und Kriminalität, menschliches Versagen der Moral und Politik. Vor allem der Krieg und die Unruhen im Mittleren /Nahen Osten durch Rebellion, Revolution und Unterdrückung sind ein Thema, das sich durch die Texte ziehen wird. Und die Probleme der Afro-Amerikaner und das versagende Amerika. Die große message gleich am Anfang – überall auf der Welt kämpfen Menschen für ihre Freiheit oder Rechte. Im Internet gibt es zu dem Einspiel für jede Songtextzeile eine Interpretation und Erklärung von Lupe Fiasco. Das sagt aus, dass ich nicht alles auseinander nehmen oder analysieren kann, wenn die Rezension ihren Zweck erfüllen soll, ohne dabei zu tiefgreifend und langatmig zu werden. Auch wenn ich es am Anfang stark bezweifelt habe, ist es die CD mit der ich mich am meisten beschäftigen musste. Und schlussendlich sehr froh darüber war!
„Man, they so impatient with the stations that they have
As long as they look good when they be doin bad“
Eine einprägsame Zeile aus „Strange Fruition“. Die Beats sind schwer, schleppend, ein traurig klingendes Klavier im Hintergrund, die Stimme, soft und lässig, relativ monoton bis auf ein paar bedeutsame Wörter und Phrasen, die er zu betonen versucht. Ganz nett, aber die Steigerung folgt. „ITAL“ gefällt mir sehr. Ital ist eigentlich eine Diät, bei der nur gesunde gute Nahrungsmittel gegessen werden, welche dafür sorgen, die Lebensfähigkeit zu steigern; Lupe benutzt dies als Metapher dafür, sich nicht von den schlechten Vorbildern und den Medien, nicht von realitätsverzerrenden Genussmitteln zu falschen Dingen, einer falschen Haltung verleiten zu lassen. Das Lied ist jedoch momentan auch aktuell das kritischste.
Kaum merklich wird am Ende des Liedes Obama als Terrorist bezeichnet, gesehen aus der Sicht der von amerikanischen Bomben getroffenen Menschen im Mittleren Osten.
Ein bisschen zu viel Niggah und Bitch, aber ich denke, nachdem ich mir die Interpretationen durchgelesen habe, und die lyrics nochmal durchdacht habe, dass er nur so überhaupt Aufmerksamkeit, Respekt für seine Texte und Lieder entgegengebracht bekommt, von denen, an die sie sich richten.
Doch Lupe überrascht auch, widerspricht sich selbst und erringt Anerkennung in „Audubon Ballroom“, wo er klarstellt, das Weiße das Wort Niggah nicht benutzen können und es Farbige nicht sollten, da sie mehr sind als nun .. eben.. Niggah. Was Frauen damit anrichten können, wenn sie sich selbst als bad bitch sehen, weil sie es durch Musik als gut suggeriert bekommen, ist ein wirklich sehr sehr gelungen konzipiertes Thema von „Bitch Bad“. Mein Favourit.
Entgegen meiner ersten Eindrücke ruft uns Lupe Fiasco zu mehr Verantwortung auf, uns alle, die Jugend, die Eltern, die Regierung, jeden von uns, jede Altersgruppe, Ethnie und Charakter. Dabei agiert er jedoch klar gegen das Systems Amerikas, kritisiert Religion und wirft alle Skandale und Probleme der Welt in einen Kessel. Und der kocht, der kocht wirklich auf dieser Platte. Harter Stoff, und irgendwie genial. Selbst bei seinem Liebeskummer-Lied bezieht sich vieles auf den Krieg. Der Mann muss viel Wut in sich haben.
Neben dem meinungsstarken Fiasco allein flöten einige Sänger dem Chorus der meisten Lieder etwas Musikalisches ein, etwas Entwaffnendes.
Aber ich kann mir auch keine drei Lieder am Stück anhören, was auch daran liegen mag, dass ich nicht so viel Rap höre. Aber ich muss mich auch entweder auf die Aussage konzentrieren oder die Musik, und die Musik ist sehr hip hop lastig, und dadurch für mich persönlich jetzt nicht der Glanzpunkt der Platte. Über „Cold War“ könnte ich mit meinem besten Kumpel pausenlos diskutieren, denn es kritisiert Amerikas vernichtende Kooperation mit dem Kommunismus; allgemein kann man mit den Aussagen Lupe Fiascos in seinen Liedern Politik und Wissenschafts-Diskussionsrunden starten und Verschwörungstheorien aufbauschen. Gut, wo ich doch in Israel war und den PW-Leistungskurs belege. Aber auch einfach guter Rap.
Der letzte Titel der Platte ist der, welcher von Anfang an der ansprechendste war :„Unforgivable Youth“. Ich denke bei ihm immer an „KIDS“ von MGNT oder „Stay awake“ von Example. Natürlich überzieht Lupe Fiasco diese Quelle der Inspiration für viele Lieder wieder. Es ist krass, und es ist ein gutes Abschluss -Lied, denn es fängt am Anfang des Übels an – bei einer verkorksten Jugend.
"We took that hurt, made it into songs
God bless the child that’s got his own““
Mit einem Zitat von Billie Holiday im Outro lässt uns die Platte dann nach 16 Songs allein mit der verrückten Welt in der wir leben. Vielleicht versteht man sie nicht mehr, vielleicht bewertet man seine Ansichten als falsch oder zu ghetto-lastig. Doch er hat seine Art der Aufklärung mit Ausdruck hervorgebracht und dafür trotz mancher Makel der Platte meinen Respekt, weil er auf die typischen Themen des schlechten Klischee-Raps verzichtet, denn:
„Hey shawty, ain’t no future in no gang-bang
And ain’t no manhood in no bang-bang“.
Das Wort zum Abend.
Autorin / Autor: luisa1995? - Stand: 8. November 2012