Falsche Körperwahrnehmung
Magersucht könnte an einem „Verbindungsfehler“ im Gehirn liegen
Wenn wir uns Bilder von Körpern ansehen, werden eine ganze Reihe von Hirnregionen aktiv. Wenn dieses Netzwerk im Gehirn verändert ist, kann das zu einer anderen Wahrnehmung führen. Dieses Wissen macht sich nun ForscherInnen zu Nutze, um der veränderten Körperwahrnehmung von Magersüchtigen auf die Spur zu kommen.
Prof. Dr. Boris Suchan von der Ruhr-Universität, Prof. Dr. Dietrich Grönemeyer von der Universität Witten-Herdecke, Prof. Dr. Silja Vocks (Universität Osnabrück) stellten in einer Kernspin-Studie fest, dass zwei Regionen, die für die Verarbeitung von Körperbildern wichtig sind, bei magersüchtigen Frauen schwächer funktionell verbunden sind als bei gesunden Frauen. Je stärker dieser „Verbindungsfehler“ war, desto dicker fanden sich die Befragten. „Diese Auffälligkeiten im Gehirn könnten erklären, warum Frauen mit Magersucht sich selbst als dick wahrnehmen, obwohl sie objektiv untergewichtig sind“, sagt Prof. Dr. Boris Suchan in der Zeitschrift „Behavioural Brain Research“.
*Magersüchtige nehmen ihre Körperform falsch wahr*
Im Kernspintomografen zeichneten die Forscher die Hirnaktivität von zehn magersüchtigen und 15 gesunden Frauen ähnlichen Alters auf, während ihnen Fotos von Körpern gezeigt wurden. Sie analysierten vor allem die Aktivität in der „fusiform body area“, kurz FBA, und der „extrastriate body area“, kurz EBA. Denn frühere Studien ergaben, dass diese Hirnregionen für die Wahrnehmung von Körpern entscheidend sind.
Sie stellten fest: Die Verbindung zwischen FBA und EBA war bei magersüchtigen Frauen schwächer als bei gesunden Frauen. Außerdem fanden die Forscher einen Zusammenhang zwischen der EBA-FBA-Verbindung in der linken Hirnhälfte und der Fehleinschätzung des Körpergewichts: Je schwächer die Verbindung zwischen EBA und FBA war, desto dicker schätzten sich die Probandinnen mit Magersucht fälschlicherweise ein. „In einer früheren Studie haben wir festgestellt, dass es strukturelle Veränderungen im Gehirn von Patientinnen mit Anorexie gibt“, sagt Boris Suchan. Sie haben eine geringere Dichte an Nervenzellen in der EBA. „Die neuen Daten zeigen, dass das Netzwerk für die Körperverarbeitung auch funktionell verändert ist.“ Die EBA, die bei Magersüchtigen eine geringere Zelldichte aufweist, ist auch das Areal, das in der Verbindungsanalyse auffiel: Es bekommt einen verminderten Input von der FBA. „Diese Veränderungen könnten einen Mechanismus für die Entstehung der Magersucht darstellen“, so Suchan.
Wie es auch bei einer Studie aus dem Jahr 2010 über Hirnveränderungen bei Anorexie noch zu klären gilt, ist die Frage: führen die Auffälligkeiten des Gehirns zu einer Essstörung, oder führt die Krankheit selbst zu den Veränderungen?
Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 23. Januar 2013