Mehr Aufmerksamkeit für die demokratisch Gesinnten
Die neue "Mitte-Studie" zeigt, dass rechtsextreme Meinungen zwar zunehmen, der lauten Minderheit aber eine Mehrheit gegenübersteht, die sich für Grundwerte, Mitmenschlichkeit und Vielfalt engagiert.
Während alle schockiert auf die gesellschaftlichen und politischen Veränderungen nach den Präsidentschaftswahlen in den USA blicken, haben Forscher_innen im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung sich mal im Hinblick auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt hierzulande umgeschaut. In der neuen "Mitte-Studie" stellen sie dar, wie es um die Zustimmung und Ablehnung neu-rechter Einstellungen in der Bevölkerung der Bundesrepublik bestellt ist. Was dabei zutage tritt, ist alles andere als beruhigend, denn die Neue Rechte transportiert über Begriffe wie „Identität“ und “Widerstand“ ihre nationalistisch-völkische Ideologie. Damit löst sie zunehmend zwar den offenen Rechtsextremismus ab, etabliert dafür aber rechtspopulistische Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft. Zu ihrem Repertoire gehören Verschwörungsmythen, die eine vermeintliche Unterwanderung der deutschen Gesellschaft durch den Islam sehen, die Behauptung, man könne seine Meinung nicht frei äußern und das „Establishment“ sei illegitim, verlogen und betrügerisch. Auch Forderungen nach nationaler Rückbesinnung gegen die EU und der Aufruf zum Widerstand gegen die aktuelle Politik bilden ein zusammenhängendes neu-rechtes Einstellungsmuster, das von fast 28% der Bevölkerung vertreten wird. Je weiter rechts die Befragten sich selbst positionieren, desto eher vertreten sie auch diese Form neu-rechter Einstellungen. So verwundert es nicht, dass 84 % der AfD-Wähler_innen diesen Meinungen zustimmen.
*Mehrheit für die Aufnahme von Geflüchteten*
Erstaunlicherweise ist dageben die Stimmung in der Bevölkerung in Hinblick auf die Geflüchteten deutlich positiver, als vielfach unterstellt. Die Mehrheit der Bevölkerung äußert sich im Sommer 2016 wohlwollend oder zumindest in der Tendenz positiv zur Aufnahme von Geflüchteten in Deutschland. Über die Hälfte der Befragten (56 %) findet die Aufnahme gut, weitere 24 % zumindest „teils-teils“ gut und ist optimistisch, dass es der Gesellschaft gelingt, die aktuelle Situation zu bewältigen. Nur 20 % finden es explizit „eher nicht“ oder „überhaupt nicht“ gut, dass Deutschland viele Flüchtlinge aufgenommen hat. Und diejenigen, die sich persönlich durch Flüchtlinge in ihrer Lebensweise oder finanziell bedroht fühlen, sind nur eine kleine Minderheit von 6-7 %. Allerdings haben rund ein Viertel der Befragten Angst davor, dass das der Lebensstandard in Deutschland sinken könnte, obwohl es bisher keinerlei Anzeichen dafür gab und Prognosen sogar eine Steigerung des deutschen Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2016 um 1,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr vorhergesagt haben.
*Mehr Aufmerksamkeit für die demokratisch Gesinnten*
Wie sollten wir also umgehen mit den neu-rechten, aber lautstarken, sogenannten "besorgten Bürgern"? „Wir sollten der lauten Minderheit der Fremdenfeinde in den gesellschaftlichen Debatten nicht so viel Raum geben, sondern der demokratisch gesinnten Mehrheit mehr Aufmerksamkeit schenken“, rät Beate Küpper vom Autorenteam der Studie. Und Herausgeber Ralf Melzer von der Friedrich-Ebert-Stiftung ergänzt: „Politische Bildung heißt auch, diejenigen zu unterstützen und zu qualifizieren, die sich für unsere Grundwerte, Mitmenschlichkeit und Vielfalt engagieren." so Küpper. Und Herausgeber Ralf Melzer von der Friedrich-Ebert-Stiftung ergänzt: „Politische Bildung heißt auch, diejenigen zu unterstützen und zu qualifizieren, die sich für unsere Grundwerte, Mitmenschlichkeit und Vielfalt engagieren.“
Konfliktträchtig sind die weitverbreiteten muslimfeindlichen Einstellungen (19 %) und die Zustimmung zu Vorurteilen gegenüber asylsuchenden Menschen; sie stiegen von 2014 (44%) auf 50% in 2016. Stabil hoch sind auch Zustimmungen zu negativen Meinungen über langzeitarbeitslose Menschen; sie werden von fast der Hälfte aller Befragten geteilt (49%).
*AfD-Anhänger_innen sind deutlich nach rechts gerückt*
Mit Blick auf Unterschiede in demografischen Gruppen fallen signifikante Unterschiede zwischen ost-und westdeutschen Befragten auf: Fremdenfeindlichkeit, Muslimfeindlichkeit, die Abwertung von Sinti und Roma, asylsuchenden und wohnungslosen Menschen sind im Osten signifikant stärker ausgeprägt. Auch bei den rund 26 % Anhänger_innen der AfD finden sich auffällig hohe Zustimmungswerte zu vorurteilsgeprägten und rechtspopulistischen Meinungen. Die Daten bestätigen: Jene, die die Ideen der AfD gut finden, sind im Vergleich zu 2014 deutlich nach rechts gerückt. AfD-Sympathisanten sind menschenfeindlicher und rechtsextremer eingestellt als Nicht-Sympathisanten. Dieser Trend hat sich seit der letzten FES-Mitte-Studie verstärkt.
Andreas Zick, Mitautor der Studie und Leiter des Instituts für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld: „Deutschland befindet sich in einer Zerreißprobe: Während sich viele von rechtspopulistischen Meinungen leiten lassen und aggressiver gegen Eliten und vermeintlich Fremde geworden sind, sind andere bereit, sich noch mehr für die Integration zu engagieren."
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Autorin / Autor: Redaktion/ Presemitteillung - Stand: 2. Dezember 2016