Mobben für den Aufstieg?
Studie: Mobbing hat viel mit Hierarchie zu tun. SchülerInnen im Mittelfeld "dissen" am meisten
Wer an Mobbing denkt und an diejenigen, die mobben, hat unwillkürlich jene vor Augen, die sonst nichts auf die Reihe kriegen, häufig aggressiv sind und im Ansehen ziemlich weit unten stehen. Eine neue Studie der Kalifornischen Universität Davis zeigt, dass aber oft nicht diejenigen von "ganz unten" mobben, sondern eher die SchülerInnen, die in der Mitte der Beliebtheitsskala stehen. Bei der soziologischen Untersuchung kam heraus, dass weder die oberen zwei Prozent noch die unteren zwei Prozent in einer Schul-Sozialhierachie an Mobbingaktionen beteiligt waren. Der Grund: "Die am unteren Rand verfügen nicht über die soziale Macht oder die Fähigkeiten, aggressives Mobbing durch zu führen, während die an der Spitze zwar die Macht haben zu mobben, aber es nicht nötig haben, diese Macht auch auszuspielen", erklärt Robert Faris, ein Assistenzprofessor für Soziologie an der Uni Davis das Phänomen.
Aufstieg in der Sozialhierarchie
Wie beliebt man in der Schule ist, hängt meist von dem Geflecht von Freundschaften ab, das man sich "erarbeitet" hat. Dabei werden leider oft auch Aggressionen eingesetzt: körperliche Attacken, Beschimpfungen, Drohungen oder indirekt durch die Verbreitung von Gerüchten. In der Studie, die die SchülerInnen ein ganzes Schuljahr lang beobachtete, kam heraus, dass ein Aufstieg in der Sozialhierarchie immer durch eine nachträgliche Erhöhung der Aggression begleitet wurde, solange bis ein/e SchülerIn die Spitze der Hierarchie erreicht hatte.
Dabei zeigten die Jugendlichen, die noch nicht ganz den sozialen Hierarchie-Gipfel erreicht hatten ein Aggressionspotenzial, das 28 Prozent höher lag als bei SchülerInnen am unteren Ende der Hierarchie und sogar 40 Prozent höher als bei denen, die schon ganz oben waren. Die Aggressions-Rate wurde daran gemessen, wie viele MitschülerInnen der oder die untersuchte SchülerIn in den vergangenen drei Monaten "gedisst" hatte.
Warum aber sind die Jugendlichen, die an der Spitze der sozialen Hierarchie angekommen sind, weniger aggressiv, obwohl sie die Macht dazu hätten, andere zu schikanieren? "Wenn solche SchülerInnen aggressives Verhalten an den Tag legten, würden sie damit eher Schwäche und Unsicherheit ausdrücken und damit ihre stabile Machtposition gefährden", erklärt Faris. Außerdem könne man auf oberster Ebene viel mehr Vorteile aus sozialem und freundlichem Verhalten ziehen. Darüberhinaus könne es auch sein, dass Kinder, die ein solches Level erreicht hätten einfach "irgendwie anders" seien und Aggressivität nicht ihr Thema sei.
Pädagogische und politische Maßnahmen sollten sich jedenfalls nicht nur auf Täter und Opfer beziehen, sondern mehr die Kinder stärken, die nur Mitläufer sind. Es seien gerade diese unbeteiligten Kinder, durch die die Mobber ihre Macht bekämen, erklären die SoziologInnen. Hätten also die MitläuferInnen mehr Mut, Nein zu sagen, könnte sich das Thema Aggression und Mobbing bald erledigt haben.
Die Studie stützt sich auf Daten aus einer Längsschnittuntersuchung bei Jugendlichen an 19 öffentlichen Schulen in drei Bezirken North Carolinas, die bereits im Frühjahr 2002 startete. Daran hatten 3722 SchülerInnen der achten, neunten und zehnten Klassen teilgenommen.