Nachwachsende Häuser
Haben Beton und Stahl bald ausgedient? Wissenschaftler_innen tüfteln an alternativen Baumaterialien, wie zum Beispiel Pilzen
Sind unsere Häuser bald aus Pilzen gebaut?
Die Häuser unserer Städte bestehen meist nur noch aus einigen wenigen Baustoffen: Beton, Stahl, Glas. Anders als zum Beispiel bei Fachwerkhäusern, die noch aus nachwachsenden Stoffen wie Holz und Stroh bestanden, gehen die Ressourcen für Beton allmählich zur Neige. So droht Sand, ein wichtiger Zuschlagstoff für Beton, in manchen Regionen bald auszugehen. Auch der Einsatz von Stahlbeton macht viele Länder von Importen abhängig. Wissenschaftler_innen des Fachgebiets Nachhaltiges Bauen an der Fakultät für Architektur des Karlsruher Instituts für Technologie suchen deshalb nach Alternativen zu den konventionellen Bau-Materialien. „Unsere Vision ist, Häuser künftig sozusagen wachsen zu lassen und nach Ende ihrer Nutzung die Baustoffe wiederzuverwerten“, erklärt der Leiter des Fachgebiets, Professor Dirk E. Hebel. Gemeinsam mit der ETH Zürich erforscht das Karlsruher Team aus Architekten, Bau- und Bioingenieuren, Material- und Energiewissenschaftler_innen, wie man regenerative Materialien in der Architektur einsetzen könnte.
So entstand zum Beispiel der „MycoTree“, eine Struktur aus Pilzmyzelium und Bambus, deren Geometrie sie mit Methoden grafischer Statik in 3D optimiert und tragfähig gemacht haben. Myzelium, das Wurzelwerk von Pilzen, ist ein schnell wachsendes feines Geflecht aus fadenförmigen Zellen. Die Pilze ernähren sich von Cellulose, dem Hauptbestandteil pflanzlicher Zellwände, und wandeln sie in Chitin um. Um Bausteine aus Myzelium herzustellen, verwenden die Forscher_innen den Pilz Ganoderma lucidum (Glänzender Lackporling) und mischen Pilzgewebe mit Holzspänen oder anderen pflanzlichen Abfällen. In wenigen Tagem wächst dann auf einer Farm des Industriepartners Mycotech in Indonesien eine dichte, schwammähnliche Substanz aus miteinander verflochtenen Zellfäden. Dieses "Pilzragout" lässt sich wohl offensichtlich in fast jede Form füllen, wo sie sich weiter verdichten kann, um einen stabilen Baustoff herzugeben. Zum Schluss wird die Masse getrocknet, um das Wachstum zu stoppen und den Pilz abzutöten. Herauskommen leichte Bausteine, die dazu auch noch gut isolieren.
Gewachsene oder wiederverwertete Baustoffe sind normalerweise wenig belastbar. Durch die gezielte Gestaltung der geometrischen Form und des inneren Kräfteflusses lassen sich Zug- und Druckbelastbarkeit jedoch wesentlich verbessern. Die Forscher_innen greifen dabei auf Methoden grafischer Statik zurück, bei der statische Aufgaben zeichnerisch gelöst werden. Mithilfe moderner Software erweitern sie die traditionell zweidimensionale grafische Statik auf die dritte Dimension. „Nachwachsende Baustoffe erhalten so das Potenzial, konventionelle Materialien in vielen architektonischen Strukturen zu ersetzen“, erklärt Dirk E. Hebel, der übrigens darüber hinaus auch an neuartigen Verbundwerkstoffen mit Bambus arbeitet. Bambus hat den Vorteil, dass er aus langen, stabilen Fasern besteht und deutlich schneller als Holz wächst.
Bis 5. November präsentieren die Forscher unter dem Titel „Beyond Mining – Urban Growth“ bei der Seoul Biennale of Architecture and Urbanism 2017 ihren „MycoTree“. Ein Making-of-Video ist unter https://vimeo.com/232044405 zu sehen.
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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung