Nebel im August
Autor: Robert Domes
Der Roman „Nebel im August“ von Robert Domes stellt die Lebensgeschichte des Ernst Lossas, einem Opfer der Euthanasie des NS-Regimes, dar.
Ernst Lossa wird am 01.November 1929 in Augsburg als Sohn fahrender jenischer Händler geboren. Die ersten vier Jahre seines Lebens verbringt Ernst mit seinen Eltern im Wohnwagen, mit dem sie durch ganz Deutschland ziehen, um Waren zu verkaufen. Das Leben scheint unbeschwert und frei zu sein, doch dann erkrankt Ernsts Mutter und Ernst muss mit seinen drei Geschwistern in verschiedene Kinderheime ziehen. Hier wird als „Zigeuner“ abgestempelt (obwohl er aus einer Familie von Jenischen, also Landfahrern, die in seinem Fall aus Norditalien stammen, abstammt) und fällt in die Ungunst der Erzieher und Heimleiter. Im Heim beginnt Lossa zu klauen, zu stehlen und zu lügen, da gegebene Situationen ihn dazu zwingen. Trotzdem bleibt Ernst ein treuer Freund und Kamerad, der keinen Schaden anrichten möchte, in manchen Fällen aber nicht weiter weiß. Ernst gilt dennoch als schwieriges Kind, wird von Heim zu Heim geschoben, bis er schließlich – obgleich völlig gesund – in die psychiatrische Anstalt Kaufbeuren eingewiesen wird. Auch hier gelingt es Ernst Freunde und Kameraden zu finden, sodass er es immer wieder schafft, sich so gut wie möglich durchzuschlagen. Doch als das Morden an den Patienten im Auftrage des Staates geschieht, bekommt Ernst Lossa zu viel mit, fällt in Ungunst beim Direktor der Anstalt und wird als „Psychopath mit asozialer Neigung“ abgestempelt. Hier nimmt Ernsts Leben, die letzte, schreckliche Wendung: In der Nacht zum 09.August 1944 bekommt er die Todesspritze verabreicht. Ein kurzes trauriges Leben findet sein Ende.
Nach dem Lesen dieser Biographie bleibt eine Frage ständig: Warum musste Ernst Lossa sterben? Ernst Lossa musste sterben, weil er nicht ins System passte. Die Gründe hierfür können und waren beliebig, da auch niemand nach diesen fragte. Robert Domes ist eine genaue und faktenreiche Biographie über einen Jungen gelungen, der der Willkürherrschaft des Nazi-Regimes zum Opfer fiel. Ernst Lossa fiel in Ungnade, wurde abgestempelt und ermordet. Domes ist mit diesem Werk eine berührende und zugleich lebendige Biographie gelungen, die auf die wenig bekannten Kapitel der Nazivergangenheit aufmerksam macht. Ernst Lossa war für einige Menschen ein Lausbub und liebenswerter Kerl, für andere nur ein asozialer Psychopath aus einer Zigeunerfamilie. Ernst Lossa war aber mehr als das, er war ein Kind, dass sich nach Freiheit und Liebe sehnte, diese aber nie erhielt. Robert Domes Roman ist eine Mahnung an die heutige Gesellschaft, die Menschen nicht nach ihrem Nutzen oder ihrer Leistungsfähigkeit zu bewerten, sondern als Menschen anzusehen und anzuerkennen. Denn die Behinderten und Außenseiter sind die, die uns zum Nachdenken bringen und unser Leben reicher, bunter und menschlicher machen.
*Erschienen bei cbj*
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Autorin / Autor: Yasemin Yenilmez - Stand: 6. Dezember 2016