Jung, schlau und pleite. So würde sich die Studentin Luca selbst beschreiben. Als ihre Eltern ihr den Geldhahn zudrehen, benötigt sie unbedingt einen Job. Dass ihr dieser ungeahnte Aufstiegschancen, die große Liebe und einen Schneesturm mit Todesangst bringen wird, ahnt sie zunächst nicht.
Darum geht es in dem Roman „One of six - Verrat“ der deutschen Autorin Kim Nina Ocker. Im ersten Band der Dilogie wird Luca auf eine Ausschreibung für einen Job als Social-Media-Managerin im berühmten Ski Resort Ortiz aufmerksam, in großer Geldnot, aber ohne ernsthafte Hoffnungen bewirbt sie sich sofort. Als sie zur letzten Auswahlrunde nach Ortiz eingeladen wird, kann sie ihr Glück kaum fassen. Über mehrere Tage soll sie dort mit fünf weiteren Bewerber:innen ihr Können zeigen. In dem abgeschiedenen Ort trifft sie auf Devan Sandoval, den sie aus ihrer Unistadt kennt und der sie auf einer Party einmal angeflirtet und dann geghostet hat. Nach kurzer Zeit überschlagen sich die Ereignisse in Ortiz, und Luca muss sich nicht nur mit ihrem Herzen auseinandersetzen, das immer schneller schlägt, sondern auch mit einem gewaltigen Schneesturm inklusive Stromausfall und mysteriösen, bedrohlichen Nachrichten, die ihr und Devan zugeschickt werden.

Perfekte Mischung aus Romantik und Thriller

„One of six-Verrat“ ist die perfekte Mischung aus Romantik und Thriller, denn es gibt sowohl romantische, ruhige als auch spannende, teils gruselige Szenen, sodass das Buch sehr vielfältig ist. Auch das Cover unterstützt mit der dunkleren Farbwahl diese mysteriöse Stimmung, ohne viel über die Handlung zu verraten und ist daher meiner Meinung nach ideal gewählt.
Die Hauptcharaktere Luca und Devan sind sehr nahbar und willensstark, und es gelingt einem als Leser:in leicht, ihre Entwicklung zu verfolgen und zu überlegen, wie man selbst an ihrer Stelle handeln würde. Auch die Liebesgeschichte der beiden ist auf Augenhöhe und durch fehlende „Badboy-Allüren“ oder zu viel Kitsch mal etwas anderes und eine Geschichte, bei welcher der Fokus nicht nur auf der Liebesgeschichte liegt. An einigen Stellen kommt auch ein gewisser Gruselfaktor auf, sodass die Geschichte nichts für jemanden ist, der sehr ängstlich oder schreckhaft ist. Weiterhin regt die Geschichte auch zum Nachdenken an, insbesondere durch die reflektierte und kommunikative Art des Hauptcharakters Luca durch Zitate wie „Alles, was in unserem Leben passiert ist das Resultat der Entscheidungen, die wir treffen. Wir können nicht davon ausgehen, dass sich etwas ändert, wenn wir uns immer für das Gleiche entscheiden."

Auch die Erzählführung der Autorin ist sehr angenehm, durch den Prolog der mysteriösen Person und einer Karte des Ski Resorts auf der ersten Seite werden die Leser:innen sofort abgeholt und fühlen sich selbst, als wären sie in Ortiz. Durchgehend entsteht beim Lesen ein echtes, aufregendes „Kopfkino-Gefühl“, welches das Lesen sehr angenehm und aufregend macht. Da das Buch nach einzelnen Tagen aufgeteilt ist und die Handlung im Oktober 2023 spielt, fühlt man sich als Leser:in immer nah an der Handlung. Durch die unerwarteten Wendungen und die detaillierten Beschreibungen der düsteren Atmosphäre während der Handlung werden die Leser:innen selbst zu Spurensuchenden, was „One of Six-Verrat“ zu einem besonderen Lesegenuss macht.
So ist das Buch bis zum Ende richtig fesselnd, sodass man es nicht mehr aus der Hand legen möchte und sich selbst wie ein:e Detektiv:in in Ortiz fühlt. Auch die Nebencharaktere sind sehr vielfältig und geraten zwischenzeitlich als Verdächtige in den Fokus, durch wenige Informationen über diese wirken die Nebencharaktere sehr mysteriös und sorgen für zusätzliche Spannung.
Durch das winterliche Setting ist der Roman ideal für die Winterzeit und durch den Gruselfaktor auch als Halloween-Lektüre geeignet.
Persönlich finde ich, dass die Geschichte etwas mehr Dialoge vertragen könnte, da an vielen Stellen hauptsächlich Konfliktgespräche stattfinden. Die durchgehende Spannung wird aber dadurch aufrechterhalten, dass die Autorin die Geschichte abwechselnd aus der Sicht von Luca und Devan erzählt, manchmal gibt es zusätzlich auch ein Kapitel aus Sicht der mysteriösen Person, die in Ortiz ihr Unwesen treibt. Bis zum Ende bleibt offen, wer das ist und warum die Person so handelt, wie sie handelt. Die Vorfreude auf den zweiten Teil, der am 29.02.2024 erscheinen wird, ist also vorprogrammiert, vor allem durch das offene Ende mit einem „Ausblick“ aus den verschiedenen Perspektiven.

*Erschienen bei Lyx*