Es ist das Jahr 2032 in der Nähe von Frankfurt: Nach den ersten Einschlägen von Atombomben bricht Panik aus, viele Menschen wissen nicht, wohin mit sich. Doch einige Wenige haben ihren Reichtum genutzt um sich genau für diesen Fall einen Platz in Sicherheit zu kaufen: Unterhalb eines Luxus-Hotels in der Nähe von Frankfurt ist ein Bunker entstanden, der 500 zahlenden Gästen, den sogenannten Gründern, ein Überleben im Katastrophenfall ermöglicht. Das „Hotel“, wie der Bunker beworben wird, hat über 30 Stockwerke und ist mit allen möglichen Annehmlichkeiten ausgestattet, die ein Überleben in den nächsten Jahrzehnten ermöglichen sollen. Im Kern befinden sich die Wohneinheiten der Gründer, die tatsächlich einem Luxushotel ähneln. Entsprechend gibt es eine Lobby, verschiedene Restaurants, ein Medienzentrum, eine Bibliothek und vieles mehr. Wie einen Gürtel außen um das Hotel herum befinden sich die verschiedenen Versorgungseinheiten: Küchen, Abfallentsorgung, ein Krankenhaus, eine Hydrofarm, ein Schweinemastbetrieb, Wasserspeicher und vieles mehr. Dort finden sich auch die Unterkünfte der Fachkräfte. Denn außer den 500 Gründern gibt es auch 500 Personen, die sich nicht in das Hotel eingekauft haben, sondern sich ihren Aufenthalt im Bunker mit harter Arbeit verdienen. Darunter sind Wachleute, Köche, Ärzte, Ingenieure, Chemiker und natürlich das Dienstpersonal der Gründer, die sogenannten Privaten. Schließlich soll es den Gründern an nichts mangeln, und Aufgaben wie Kochen oder Putzen wollen sie natürlich nicht selbst übernehmen. Im Bunker herrscht also eine klare Hierarchie: Während die Gründer die edlen Gönner sind, die dieses lebensrettende Projekt finanziert haben, können die Fachkräfte gar nicht genug arbeiten, um ihre Dankbarkeit auszudrücken. Ein Überleben außerhalb des Bunkers ist durch die atomare Kontamination der Umwelt nicht mehr möglich, eine Verbannung aus dem Bunker würde also einem Todesurteil gleichkommen – es gilt also, bei der Gemeinschaft nicht in Ungnade zu fallen, egal ob als Gründer oder als Fachkraft.
Mitten in dieser dystopischen Wohngemeinschaft laufen sich Wesley, ein Wachmann, und Janja, ein privates Dienstmädchen, über den Weg. Zunächst haben die beiden nicht viel füreinander übrig, doch schon bald kommen sie sich näher. Ihre Beziehung wird jedoch bereits nach kurzer Zeit einigen Belastungsproben ausgesetzt: Wesley ist nicht, wer er vorgibt zu sein, und auch Janja hat ein Geheimnis. Und überhaupt sind Beziehungen zwischen Fachkräften und Privaten nicht erlaubt, sollte also jemand herausfinden, warum sich die beiden nachts aus ihren Quartieren stehlen, könnten sie in große Schwierigkeiten kommen. Doch noch bevor sich die beiden darüber Sorgen machen können, passiert etwas ganz anderes: In der Müllsortierung wird ein menschliches Auge entdeckt. Doch wie kann das sein, wenn niemand raus oder rein kann? Und niemand im Bunker vermisst wird? Auf einmal heißt es durchzählen, wobei einige interessante Dinge ans Licht kommen…
Stephan Knösel erschafft in „Panic Hotel: Letzte Zuflucht“ eine detaillierte Dystopie, die zwar fiktiv, aber keinesfalls unrealistisch ist. Wie unsere Welt in 10 Jahren aussehen wird, weiß niemand. Doch dank der Klimakatastrophe, kriselnden internationalen Beziehungen und einer ungleichen Verteilung des Reichtums in unserer Gesellschaft sind wir auf dem besten Weg, die Bedingungen für den Bau eines Bunkers, wie er in „Panic Hotel“ beschrieben wird, zu schaffen. Dadurch fällt es bei Lesen nicht schwer, sich auf diese neuen Begebenheiten einzulassen. Obwohl die Dinge sich momentan noch anders darstellen, fehlt nicht mehr viel, um entsprechende Entwicklungen in Gang zu setzen. Dadurch fehlt der Geschichte von Janja und Wesley das Abwegige, das mich sonst an reiner Fiktion so stört. „Panic Hotel“ hingegen ist gelungen, stimmig und durchdacht. Rein technisch funktioniert der Bunker: Es gibt eine Luftzufuhr, Wasserspeicher, Nahrung wird angebaut und der Müll nach draußen entsorgt. Auch die angedachte Gesellschaftsstruktur kann auf den ersten Blick funktionieren, hält jedoch auch Konfliktpotential bereit, wie der Verlauf der Geschichte zeigt. Ich fand die Geschichte des „Panic Hotel“ insgesamt fesselnd, aber auf eine gewisse Weise auch schaurig, da sie den Leser tatsächlich dazu anregt, sich ein Leben auf unserem Planeten in 10 Jahren vorzustellen – oder in 20 oder 30 Jahren. Wer weiß, wie sich die Dinge bis dahin entwickeln?
*Erschienen bei Beltz & Gelberg*
Autorin / Autor: lacrima - Stand: 14. September 2020