Demokratie oder Diktatur?
Studie: Viele SchülerInnen haben keinen Plan von Geschichte
In der Schule nichts gelernt? Glaubt man einer aktuellen Studie der Freien Universität Berlin, ist es um das politisch-historische Wissen vieler SchülerInnen äußerst schlecht bestellt. War Hitler nun ein Demokrat oder ein Diktator? Diese scheinbar banale Frage ist anscheinend nicht für jeden so einfach zu beantworten. Wie die Befragung des Forschungsverbundes SED-Staat der Freien Universität unter knapp 7.500 Schülern in fünf Bundesländern ergab, halten viele SchülerInnen den NS-Staat und die DDR nicht für eine Diktatur. Die (alte) Bundesrepublik und das wiedervereinigte Deutschland stuften sie wiederum häufig nicht als Demokratie ein.
Für das Forschungsprojekt wurden SchülerInnen der Klassenstufen 9 und 10 in Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Thüringen befragt. Am besten schnitten noch SchülerInnen aus Thüringen und Sachsen-Anhalt ab, am schlechtesten SchülerInnen aus Nordrhein-Westfalen. Quer durch alle Bundesländer und Schulformen zieht sich der Befund, dass die SchülerInnen am meisten über den Nationalsozialismus wissen, deutlich weniger dagegen über die Bundesrepublik vor und nach der Wiedervereinigung sowie die DDR.
NS-Staat keine Diktatur?
So ordnet nur etwa die Hälfte der SchülerInnen den NS-Staat zweifelsfrei als Diktatur ein, in Bezug auf die DDR vermag dies sogar nur etwas mehr als ein Drittel. Die Identifikation einer Demokratie gelingt den Jugendlichen kaum besser: Nur rund die Hälfte der Befragten schätzt die Bundesrepublik vor der Wiedervereinigung als demokratisch ein, lediglich rund 60 Prozent halten das wiedervereinigte Deutschland für eine Demokratie.
Insgesamt glauben rund 40 Prozent der SchülerInnen, dass kaum Unterschiede bestehen zwischen Nationalsozialismus, der DDR sowie der Bundesrepublik vor und nach der Wiedervereinigung. Diese Schülergruppe ist der Auffassung, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und Selbstbestimmung seien in allen vier Systemen etwa gleich ausgeprägt.
Schüler mit DDR-Eltern oder mit mindestens einem ausländischen Elternteil (sogenannte Migrantenkinder) sehen den Nationalsozialismus und die DDR positiver als ihre Altersgenossen mit BRD-Eltern. Die alte Bundesrepublik und das wiedervereinigte Deutschland sehen sie hingegen negativer als diese.
Zusätzlich wurde der Einfluss von Gedenkstättenbesuchen erforscht. Dabei konnte kein eindeutig positiver Effekt dieser Besuche festgestellt werden. Die auf rund 18 Monate angelegte Längsschnittuntersuchung zeigt den Wissenschaftlern zufolge eindeutig, dass der Unterricht die entscheidende Wissensquelle für Jugendliche ist und zu einem Kenntnisgewinn führt - oder eben nicht.
Autorin / Autor: Pressemitteilung / Redaktion - Stand: 2. Juli 2012