Sommernachtserwachen

Autorin: Meg Rosoff
Übersetzt von: Brigitte Jakobeit

„Sommernachtserwachen“ geschrieben von Meg Rosoff ist ein Sommerferien-Liebesroman der etwas anderen Art. Wie es eigentlich selten der Fall ist, ist der deutsche Titel hier meiner Meinung nach ziemlich treffend (der Originaltitel „The Great Godden“ allerdings auch, weil es auch gewisse Parallelen zu „The Great Gatsby“ gibt). Der Grund: es geht hier um eine Mischung aus den Liebesverstrickungen aus „Ein Sommernachtstraum“ (William Shakespeare), aber auch um deren düsteren Folgen, wie in „Frühlingserwachen“ (Frank Wedekind). Die Geschichte dreht sich um eine Familie, deren Sommerurlaub, der normalerweise voller Traditionen, Langeweile und Genuss steckt, von der Ankunft zweier Brüder durcheinandergebracht wird. Dabei übernimmt vor allem eine der Personen einen aktiven Part dabei, die bisherigen Muster und Konstellationen über den Haufen zu werfen und dabei alle in seinen Bann zu ziehen.

Mir hat das Buch sehr gut gefallen, da es endlich mal eine andere Geschichte erzählt. Es geht um Gefühle, Liebe und Abneigung, Erwachsenwerden und Erwachsensein, aber Klischees werden aufgebrochen und nicht (nur) reproduziert. Der Stil des Buches versetzt einen in die melancholische, faule Atmosphäre von Sommerferien und ist angenehm zu lesen. Die Charaktere werden plastisch beschrieben und ihre Motive und Motivationen meist gut greifbar gemacht. Manche der Dialoge konnte ich irgendwie nicht ganz nachvollziehen, aber gerade deshalb fand ich sie spannend. Was mir mit Abstand am besten gefallen hat, ist, dass der erzählenden Person kein Geschlecht zugeschrieben wird. Das ist aber so geschickt gemacht, dass es mir anfangs kurz aufgefallen ist und ich dann irgendwann automatisch der Person mein eigenes Geschlecht zugeordnet habe, weil ich mich mit der Gedankenwelt gut identifizieren konnte. Erst nach der Lektüre ist mir aufgefallen, dass das Geschlecht jedoch nie explizit benannt wird und auch der Name der/des Protagonist_in nie fällt.
Besonders im Nachhinein betrachtet, finde ich diese Erzählweise beeindruckend, weil sie mir eigene Vorurteile vor Augen geführt hat. Auch gefällt mir, wie Liebe und Verlangen hier nicht nur als etwas rein Positives und Erstrebenswertes aufgezeigt wird, sondern auch deren toxischen Seiten im Vordergrund stehen. Auch die Darstellung, wie manche Menschen ihren Status und ihre Wirkung auf andere ausnutzen und mit den Gefühlen, die sie hervorrufen, spielen, fand ich sehr interessant, weil immer doch noch der Gedanke kam: Vielleicht meint er es ja doch ernst… Der einzige Kritikpunkt ist vielleicht nur, dass es sich hier um durchweg sehr privilegierte Menschen handelt und der/die Protagonist_in sich auch z. T. etwas arrogant über seinen/ihren eigenen Status äußert.

Insgesamt kann ich das Buch allerdings – besonders als Strandlektüre für Leser_innen ab 14 Jahren – nur empfehlen. Es lässt sich gut (und leider sehr schnell) lesen, und obwohl sich das Ende bereits am Anfang in gewisser Weise abzeichnet, gibt es doch noch einige Überraschungen auf dem Weg dorthin. Viel Spaß beim Lesen!

*Erschienen bei FISCHER Kinder- und Jugendbuch*

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Autorin / Autor: Johanna Reichel - Stand: 1. Dezember 2021