Schaffe ich mein Abitur nicht, wenn ich die sechs Wochen Ferien ohne lernen verbringe? ;-)
Sommerzeit – Ferienzeit! Es ist schon deutlich zu merken, dass letzte Woche die beste Zeit im Schuljahr angebrochen ist: Die Sommerferien! Sechs Wochen ausschlafen, Freizeit, Urlaub, relaxen. Sechs Wochen nicht nachdenken, das Gelernte vergessen und sich auf die wirklich wichtigen Dinge des Lebens konzentrieren (Eisessen, zum Beispiel)!
Doch viele der SchülerInnen, die gerade ihre hart verdiente Pause genießen könnten, haben immer noch die Schule im Kopf. Einige lernen für Nachprüfungen, und die meisten können aus einem einfachen Grund nicht abschalten: Sie haben vergessen, wie es geht! Schule, der Stress um gute Noten und der tägliche Kampf um Punkte ist im Kopf festgelegt. Unbeschwert Urlaub machen – gerade für viele Oberstufenschüler ist das fast nicht mehr möglich. Auch ich stecke immer noch geistig in der Schule. Und das nicht, weil ich dringend Nachholbedarf für einige Fächer habe, nein, weil ich mir einfach ständig Sorgen mache. Und ich gehöre nicht zu der kleinen, paranoiden Minderheit, die sich ständig um ihren Schnitt sorgt. Ich gehöre zu denen, die gelernt haben, dass Noten den Wert eines Menschen bestimmen – nicht komplett, aber zu einem großen Teil. Dass Menschen während ihrer Schullaufbahn nicht nach Charakter, sondern nach Leistung benotet werden. Richtig oder falsch, ein ‚jein‘ gibt es nicht. Engagement ist gut – aber wo zeigt sich auf dem Zeugnis, dass ich in meiner privaten Freizeit Zeit mit Kindern mit Behinderung verbringe? Und dieser Leistungsdruck sorgt dafür, dass wir auch in den Ferien schlecht abschalten können. Es gibt so viel, was man organisieren und durchdenken muss. Jetzt schon sich über Studienbedingungen, NCs, Praktika informieren und vielleicht sogar bewerben. Wer nicht jetzt schon weiß, was er will, wird schräg angeschaut. "Ihr müsst doch wissen, was ihr wollt" heißt es immer. "Nein!" möchte ich schreien, das Leben kann man nicht planen. "Und ob ich meinen Traumberuf erreichen kann, weiß ich auch nicht!“.
Ich spüre deutlich, dass sich die Haltung geändert hat. Ich als Schülerin, die nächstes Jahr Abitur macht, soll in den Sommerferien zwei Bücher für die Schule lesen. Kein Problem, Schule ist wichtig. Aber plötzlich sollte ich dann auch über andere Ferien ein komplettes Projekt in meinem Englisch-LK erstellen. Kommentar der Lehrerin dazu: "Ihr habt ja jetzt zwei Wochen Zeit." Es gibt vieles, was wir haben, aber eins nicht: Zeit. In der Freizeit etwas tun, was auf dem Lebenslauf gut aussieht, vielleicht ein Praktikum. Nebenher ein Job, um Geld und Unabhängigkeit zu verdienen. Vielleicht noch einen Sprachkurs dazu?
Ich muss sagen, dass ich es mir selbst auch nicht immer leicht mache. So ambitioniert wie ich bin, möchte ich natürlich keine Gelegenheit missen, etwas Neues auszuprobieren. Und wenn ich über Stress klage, weil ich zu den drei Nachhilfekindern noch ein Angebot zum Babysitten angenommen habe, bin ich ja auch irgendwie selbst schuld. Aber trotzdem: Wie kann es sein, dass wir uns alle solche Gedanken machen? Sind wir eine Generation von Leuten, die sich immer nur sorgt? Oder macht uns das Schulsystem zu dem, was wir sind? Wir werden keine Antwort auf die Frage finden, denn jeder weiß am besten, woran es liegt. Ich werde dieses Jahr versuchen, mal mein Chemiebuch und meine Französischgrammatik zur Seite zu legen und mehr im Garten die Sonne zu genießen. Ich probier es einfach mal aus.
Autorin / Autor: Sarah Ganss ; - Stand: 29. Juli 2013