Ein prickelnder Sommer, Knisterkaugummi, Freibadluft, heiße Sonnentage in Berlin. Das Buch „Sonne Moon und Sterne“, der Autorin Lara Schützsack, malt in bunten Farben einen ganz besonderen Sommer im Leben von Gustav.
Gustav, die ein Mädchen ist und eigentlich gar nicht Gustav heißt. „Warum Gustav ‚Gustav‘ genannt wird, weiß eigentlich niemand mehr so genau. Es ist einfach so passiert. Manchmal denkt Gustav, dass nicht mal ihre Eltern ihren eigentlichen Namen noch kennen.“
Ihr richtiger Name spielt aber eigentlich auch gar keine Rolle, denn die elfjährige Protagonistin füllt den Spitznamen so mit Leben, dass man sich allmählich wirklich zu fragen beginnt, wer je festgelegt hat, dass „Gustav“ ein Jungenname ist.
Der letzte Schultag der sechsten Klasse ist zugleich der Auftakt des Romans. Eigentlich, so dachte Gustav, habe sie ein paar wundervolle Ferienwochen auf einem Campingplatz in Dänemark vor sich, auf dem Campingplatz, auf den die ganze Familie schon seit Jahren fährt.
Aber es kommt anders. Denn ihre Eltern, Iris und Erik, haben beschlossen, sich äußerst merkwürdig zu verhalten. Sie stecken laut Gustavs beiden älteren Schwestern, Ramona und Sara, in ihrer Midlife Crisis, eine „Art Pubertät für Eltern“.
Der Urlaub ist gestrichen worden, denn die beiden brauchen Abstand voneinander. Statt Dänemark stehen der Elfjährigen also sechs einsame Wochen in Berlin bevor, denn ihre beste Freundin Alina ist mit ihren Müttern nach Frankreich gefahren. Zu allem Überfluss, zufälligerweise auf den gleichen Campingplatz wie Paula, eine Klassenkameradin, welche in letzter Zeit vermehrt, gemeinsam mit Alina, tuschelnd Jungen hinterherläuft.
Für Gustav bleibt also eigentlich nur das Freibad, in welches sie sich aber auch nicht wirklich traut, da ihr neuerdings zwei „kleine Erbsen“ wachsen. Die Ferien wären wirklich sehr einsam, wenn sie nicht Sand hätte, die Hündin, mit welcher sie aufgewachsen ist, die existiert, seit Gustav sich erinnern kann. Und außerdem trifft sie zufälligerweise auch noch Moon, ihren neuen Klassenkameraden, der Glitzerleggings trägt und eisblaue Augen hat.
*Meine Meinung*
Lara Schützsack schreibt ehrlich, einfach und prägnant. Sie gibt Gustav eine glaubwürdige Stimme, schafft eine Protagonistin der besonderen Art, die durch einen leichten, lässigen Erzählstil genauso besticht, wie durch die besorgt tiefsinnigen Gedankengänge, in die dem Leser Einblick gewährt werden. Während Gustav auf ihre simple Weise von dem seltsamen Verhalten ihrer Eltern berichtet, die offensichtlich in einer tiefen Ehekrise stecken, öffnen sich daneben noch andere Problemfelder, wie die Veränderungen, die der Körper in der Pubertät durchlebt, die Verunsicherungen, die damit einhergehen, aber auch die Liebe. Es werden sowohl die Probleme der Erwachsenen als auch der Kinder angeschnitten. Und da eben diese alle aus Gustavs Perspektive erzählt werden, wird deutlich, dass sie nicht getrennt voneinander zu betrachten sind, sondern sich zu einem Netz verweben, das zu entwirren oftmals nicht so einfach ist.
Auffällig sind die vielen, sich durch den Roman ziehenden Veränderungen, die ein Leben mit sich bringt, sowohl zum Guten als auch zum Schlechten. So ziehen Gustavs Eltern nach einer langen, glücklichen, gemeinsamen Zeit, erst einmal aus der Wohnung aus, richten sich in einem Wohnmobil ein bzw. reisen plötzlich allein nach Mallorca, da die Beziehung nicht mehr funktioniert.
Gustav erlebt die ersten Schritte der Pubertät, die zugleich angsteinflößend, aber auch aufregend erscheinen. Ihre Geschwister haben mit Liebeskummer und Pickeln zu kämpfen, Sand, die Hündin mit ihrer nachlassenden Vitalität und ihrem Gedächtnis.
Auch in Moons Leben tritt mit dem Aufeinandertreffen mit Gustav eine eindeutige Veränderung.
Ob diese Veränderungen nun gut oder schlecht sind, dieses Urteil bleibt dem Leser überlassen. Möglicherweise ist dieses aber auch gar nicht nötig, denn all diese Handlungsstränge geschehen zeitgleich und malen so ein sich überlagerndes Bild aus Hell und Dunkel, strahlend und blass.
Ein Kinderbuch, in dem kein moralischer Zeigefinger erhoben wird, das eine Geschichte erzählt, wie sie ist: herzerwärmend, komisch, traurig.
Der Roman agiert unter der Oberfläche, wirkt unterschwellig orientierungsbildend für alle Jugendlichen, welche sich in einer ähnlichen Phase wie Gustav befinden. Sonne Moon und Sterne macht deutlich, dass man mit seinen verwirrenden Gefühlen nicht allein ist.
Viele Passagen bringen einen zum Schmunzeln und erinnern auch Erwachsene augenzwinkernd daran, wie es war, in diesem Tunnel aus Unwissenheit und Verunsicherung zu stecken. Mit viel Witz und Humor wird hier eine chaotische Familie geschildert, die mit ihren Problemen nicht allein ist auf der Welt.
Ich kann jedem nur raten, unbedarft an das Buch heranzutreten und sich von einer Welle aus Knisterkaugummigeschichten und Großstadtheißluftwogen überrollen zu lassen. Die 239 Seiten lesen sich schneller aus, als man denkt und mit der Zufriedenheit, einen Buchdeckel zuklappen zu können, schwingt hier die Enttäuschung mit, dass die Geschichte nun zu Ende ist, wie es bei allen guten Büchern der Fall ist.
*Erschienen bei Fischer*
Autorin / Autor: migusa - Stand: 15. April 2019