Syrien – Was läuft da eigentlich?!
Verlaufen im Medien-Dschungel: Warum es so schwer fällt, sich eine Meinung zu aktuellen, politischen Ereignissen zu bilden - am Beispiel Bürgerkrieg in Syrien.
Eskalation in Syrien: Kriegsartige Zustände, schreckliche Bilder von Gewalt auf offener Straße, täglich neue Berichte von mehr und mehr Toten und Folterungen… Die arabische Revolution hat kein Ende, die Syrer scheuen in ihrem Kampf für die Freiheit scheinbar kein Blutvergießen.
Syrien ist ein arabisches Land Vorderasiens; es grenzt im Norden an die Türkei und ist Nachbarland des Iraks. Nachdem es in vielen arabischen Ländern zu Protesten kam (Arabischer Frühling), begannen auch in Syrien bereits im März 2011 die vorerst friedlichen Demonstrationen gegen die Regierung und den Präsidenten Baschar al Assad; Grund war die Verhaftung von Kindern, die den Slogan „Das Volk will den Sturz des Regimes“ des arabischen Frühlings an Wände geschrieben hatten. Nach darauffolgenden Demonstrationen für mehr Freiheiten und politische Rechte kam es zur gewaltsamen Bekämpfung der Demonstranten.
Die Bilder, die uns seither erreichen, zeigen ein syrisches Regime, das mit nackter Gewalt gegen die Aufständischen vorgeht. Mittlerweile wird berichtet, dass es mehr als 10.000 Tote gibt, darunter hauptsächlich Aufständische aber auch syrische Soldaten.
1000 Blickwinkel und 1000 Meinungen
Wenn man das so hört, scheint ohne Zweifel klar zu sein: Der Präsident, der das veranlasst, muss weg. Und her müssen neue, liberale Politiker, die sich für Menschenrechte einsetzen.
So einfach ist es leider nicht, denn der syrische Präsident Baschar al Assad sagt, dass die Gewalt gar nicht von der Regierung und den Soldaten ausgeht. Er beteuert, dass Syrien und seine Soldaten Opfer von ausländischen Verschwörern und Terroristen sind. Assad behauptet außerdem, dass die Hälfte des Volkes noch hinter ihm stünde und er sie jetzt nicht fallen lassen könne. Im Gespräch mit dem ehemaligen CDU-Politiker Jürgen Todenhöfer weist er alle Schuld von sich.
Aber was stimmt nun? Wurde Syriens Präsident hier zu Unrecht vorgeworfen, er sei Grund für die aktuelle Lage in Syrien? Interviewer Jürgen Todenhöfer schenkt dem Präsidenten sogar teilweise seinen Glauben und sieht die Schuld nicht alleine beim Regime: „Das Militär und die aufständischen Rebellen sind zu gleichen Anteilen Schuld am Bürgerkrieg“. Viele wiederum, sind schockiert von Assads Aussagen und bezeichnen diese als „Realitätsverleugnung“. Einige Journalisten empfinden Assads „Opfergetue“ als geradezu zynisch und nicht ernst zu nehmen. Stimmt schon: Der Ursprung der Demonstrationen, sowie die Bilder und Augenzeugenberichte von Folterungen von Kindern und Frauen lassen stark daran zweifeln, dass das Regime unbeteiligt ist. Für die Zukunft, sagen die einen mit Bestimmtheit „Das Assad-Regime ist dem Untergang geweiht“, die anderen versichern „Das Regime wird nicht kippen“.
Was soll man da glauben? So viele verschiedene Meinungen von Journalisten, Reportern, Nahost-experten und Politikern in allen Medien, die sich ihren verschiedenen Meinungen alle zu 100 Prozent sicher erscheinen. Um nicht zu sehr von einer Meinung beeinflusst zu werden und sich ein neutrales Bild machen zu können, liest man bestenfalls 5 verschiedene Artikel unterschiedlicher Tageszeitungen und verliert bei all den widersprüchlichen Argumenten und fragwürdigen Quellen schließlich total den Überblick.
Manchmal ist es ok „keine Meinung“ zu haben
Abgesehen von den ohnehin komplizierten Begriffen, kann einen diese Flut an Expertenmeinungen und teilweise einseitigem, fragwürdigem Material ganz schön verunsichern. Manchmal gibt es mir das Gefühl, dass ich mit meinem begrenzten politischen und geschichtlichen Wissen gar nicht das Recht habe, mir eine Meinung zu bilden. Wieso sollte ICH besser wissen wie ein Staat friedlich bestehen kann als ein Experte auf dem Gebiet? Was gibt mir die Qualifikation zu urteilen über die Lage in einem Land und zu sagen „Ich finde, die sollten…“ oder „Ich glaube das Problem liegt bei…“? Bevor ich mich derart überschätze und Stellung nehme, wäge ich lange über das für und wider ab und komme als Alte-Tolerante zu dem Schluss, dass ich mit meiner Vermutung falsch lag aber auch keine Lösung im petto habe. Da hilft auch stundenlange Recherche nichts: Je besser man informiert ist, desto schwerer fällt es oft, ein Urteil zu fällen. Ich finde es nicht schlimm, manchmal „keine Meinung“ zu haben; das klingt immer so negativ, aber oft resultiert das aus Bedacht und Vorsicht und ist besser als vorschnell zu urteilen oder eine Medienmeinung nachzuplappern.
Oft denke ich mir, dass die meisten Politiker die Art von Menschen sind, die sich trauen, trotz Zweifeln auf ihrer Meinung zu beharren. Dabei bräuchten wir vielleicht gerade Politiker, die offen sind für neue Ansichten, sowie flexibel, kompromissbereit und auch nicht zu stolz sind, sich mal in Frage zu stellen. Aber die würden vielleicht weniger die Stärke, Sicherheit und Führungskraft ausstrahlen, die man bei Politikern gewohnt ist.
Die letzte Meldung vom 9. Juli lässt jedenfalls ein wenig aufblicken: Russland und China, als letzte Unterstützer des syrischen Regimes, begrenzen ihre Waffenlieferungen an Syrien. Vielleicht ist das der Anfang vom Ende einer gewaltsamen Revolution. Hoffen wir auf baldigen Frieden zwischen allen beteiligten Parteien, sowie das Eintreten der langersehnten Demokratie mit politischer Freiheit für die Syrer.
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Autorin / Autor: Alina - Stand: 11. Juli 2012