Teufelskreis Aufschieberitis

Neue Studie fand heraus, dass besonders männliche Schüler und Studierende Aufgaben auf die lange Bank schieben

Kennt ihr noch das alte Sprichwort „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen!“? Für die meisten ist das zwar ein ehrenwerter Anspruch, aber Hand auf´s Herz: in der Regel schieben wir das, was wir eigentlich machen müssten immer wieder vor uns her. Fachleute nennen dieses insbesondere bei jungen Leuten weit verbreitete Phänomen Prokrastination - frei auf deutsch übersetzt also Aufschieberitis. Wissenschaftler der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz wollten wissen, wie stark das Phänomen in der deutschen Bevölkerung verbreitet ist und haben dazu eine interdisziplinäre Befragung unter 2.527 Personen im Alter von 14 bis 95 Jahren durchgeführt. Dabei kam heraus, dass Menschen, die wichtige Tätigkeiten immer wieder aufschieben, häufiger Single sind, eher von Arbeitslosigkeit betroffen sind und über ein geringes Einkommen verfügen. Außerdem waren unter den Aufschiebern eher männliche Schüler oder Studierende zu finden. Die negativen Auswirkungen dürften allen von diesem Phänomen betroffenen bestens bekannt sein: Stress, Depression, Angst, Einsamkeit und Erschöpfung.

Was für die meisten ein eher harmloser Tick ist, kann auf die Dauer aber für manche zu einem erlernten, problematischen Verhaltensmuster werden, eben dem Krankheitsbild Prokrastination. Warum aber schieben Menschen Dinge auf, wenn sie doch wissen, dass dies zu Stress und negativen gesundheitlichen Folgen wie Angstzuständen oder Schlaflosigkeit führt? Für die Wissenschaftler ist Prokrastination ein erlerntes Verhalten, das unmittelbar dadurch verstärkt wird, dass man unangenehme Tätigkeiten vermeidet - ein Teufelskreislauf also. Warum bestimmte Tätigkeiten aber negative Gefühle hervorrufen, wird von den Betroffenen zu wenig hinterfragt. Dabei werden Leistungsanforderungen häufig mit der Angst zu versagen verbunden, weil man Ansprüche an die eigene Leistung zu hoch steckt und sich nicht zu realisierende Ziele setzt. Um sich davon abzulenken, werden dann oft Medien konsumiert, was kurzfristig positive Gefühle hervorrruft. Die nachteiligen negativen Konsequenzen wie Versagen, Depression oder Einsamkeit treten erst viel später auf und können somit auch nicht als Warnsignal dienen.

Warum vor allem Schüler und Studenten von Prokrastination betroffen sind, liegt laut den Forschern daran, dass ein Beschäftigungsverhältnis eher feste Strukturen und Orientierung vorgibt, während im Studium mehr Selbstorganisation und -disziplin gefragt ist. In einem Altersabschnitt, in dem einem Zeit als scheinbar unbegrenzt und Gewissenhaftigkeit als nicht so wichtig erscheint, könnten diese Anforderungen aber schnell zu einer Überforderung werden. "Sie leben in dem Gefühl, dass ihnen das Leben und eine Zukunft offenstehen, die ihnen schier unzählige und vielfältigste Möglichkeiten und Chancen bieten. Der Studienanfänger sieht sich beispielsweise vor die Wahl aus tausenden Studiengängen gestellt. Zudem sind Erwerbsbiographien weniger geradlinig und planbar geworden. Beides kann viele Menschen überfordern und zu einer Prokrastination beitragen." so die Studienautoren.

Für die Wissenschaftler des Schwerpunkts Medienkonvergenz birgt die Studie darüber hinaus weiteres Erkenntnispotenzial: Sie wollen künftige Auswertungen der Studie dazu nutzen, um zu erfahren, inwieweit sich die Nutzung des allseits präsenten Online-Angebots an Ablenkungen durch Computer und Smartphone auf Prokrastination auswirkt.

Die Ergebnisse sind in der renommierten Fachzeitschrift „PLOSone“ erschienen.

Quelle

Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 18. März 2016