Und es schmilzt
Autorin: Lize Spit
Aus dem Niederländischen von Helga van Beuningen
Die Studentin Eva fährt nach vielen Jahren zum ersten Mal wieder in ihr Heimatdorf Bovenmeer. Anlass ist eine Gedenkfeier für Jan, den Bruder ihres ehemals besten Freundes Pim. Jan ist in seiner Jugend unter tragischen Umständen ums Leben gekommen.
Mit im Gepäck hat Eva einen Eisblock. Kenner_innen von Black Stories ahnen im Verlauf des Buches schon, was es mit diesem mysteriösen Mitbringsel auf sich hat. Aber er spielt auch noch in anderer Hinsicht eine tragende Rolle in diesem Roman.
In Rückblicken schlüsselt sich langsam auf, was sich in Evas Jugend in ihrem Heimatdorf abgespielt hat und warum sie ein Wiedersehen mit ihren einstigen besten Freunde Laurens und Pim so viele Jahre vermieden hat.
Dieser Roman beginnt beschaulich. Eine Coming of Age Geschichte im ländlichen Raum mit Bauernhof, Dorfschule und Zeltübernachtungen, nur ohne die dazugehörige Idylle. Denn über allem liegt ein dunkler Schatten. Evas Mutter ist Alkoholikerin und ihr Vater haut seine Kinder gerne mal auf den nackten Po und hat eine Schlinge im Schuppen. Evas Schwester leidet unter Zwangs- und Essstörungen und Pims Familie leidet unter dem Tod Jans, der in einer Jauchegrube ertrunken ist.
Als Pim und Laurens anfangen, Interesse an (anderen) Mädchen zu entwickeln und Eva in ihre Bemühungen miteinbeziehen, kippt die kindliche Unschuld und die Tragödie nimmt ihren Lauf.
Der Klappentext dieses Romans wirbt mit Zitaten aus Rezensionen: "Ein Todesstoß", "kompromisslos", "grausam". Diese Beschreibungen sind 100% richtig, lassen aber etwas ganz anderes vermuten. Einen brutalen Thriller? Ein knallharten Spannunsgroman? Ich habe bei diesem Buch lange auf den Knall gewartet. Am Anfang zieht sich der Roman fast ein bisschen und plätschert in atmosphärischen Beschreibungen einer etwas schrägen Landjugend dahin. Aber natürlich war es das noch nicht. Auch wenn das Unheil schon überall mal durchblitzt, kommt der echt üble Teil dieses Romans langsam und unschuldig daher, dafür mit allem, was es braucht, um den Leser durch eine absolute Gefühlshölle zu schicken. Wie ein Voyeur steht er in die Ecke und schaut zu und windet sich und schämt sich. Für alle Beteiligten und für sich selbst. All das geschieht auf leise Art. Fast nebenbei. Es gibt keinen Knall, kein Geschrei, keine erhobenen Zeigefinger, keine Sühne. Es passiert einfach, mit allen Konsequenzen, die sich daraus ergeben.
Am Ende ist der Eisblock geschmolzen. Eine wahrhaft schwarze Geschichte mit einem bitteren Ende! Toll geschrieben und erschütternd.
*Erschienen bei Fischer*
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Autorin / Autor: Sabine - Stand: 24. August 2017