Modernes Europa - rückständiger Islam?
Studie kritisiert veraltete Islamdarstellung in Schulbüchern
Wenn SchülerInnen in Europa in der Schule etwas über den Islam lernen, dann wird ihnen offenbar meist ein verstaubtes Bild dieser Religion und Kultur vermittelt. Während Europa einheitlich als "modern" dargestellt werde, erschienen Muslime als religiöses, vormodernes Kollektiv außereuropäischer „Anderer“. Die Schulbücher betonten mehr die Konfrontation des Islam mit Europa, während Gemeinsamkeiten kaum dargestellt würden.
Dieser wenig schmeichelhafte Befund ist das Ergebnis der ersten systematischen Analyse von Geschichts- und Politiklehrbüchern aus Deutschland, Österreich, Frankreich, Spanien und England, die WissenschaftlerInnen des Georg Eckert-Instituts für internationale Schulbuchforschung in Braunschweig erarbeitet haben.
Die ForscherInnen kritisieren vor allem, dass kaum unterschieden werde zwischen dem Islam als Religion und muslimisch geprägtem kulturellem und politischem Alltagsleben. Darüber hinaus fände auch keine Differenzierung statt, die die vielfältigen Ausprägungen des Islam etwa in der Türkei, der arabischen Welt oder Indonesien beleuchte. In den untersuchten Schulbüchern würden zwar die Beiträge des arabisch-islamischen Mittelalters zur Zivilisation gewürdigt, aber da bleibe es in den meisten Fällen stehen - die ForscherInnen vermissen die Auseinandersetzung mit der heutigen Zeit. Solche Darstellungen suggerierten, dass "muslimisch geprägte Gesellschaften seit dieser Blütezeit in kulturellem Stillstand verharren", heißt es in der Pressemitteilung.
*Gegen eingefahrene Wahrnehmungsweisen*
Die Direktorin des Georg-Eckert-Instituts, Simone Lässig, will aber keine pauschale Schulbuchschelte betreiben. Ihr Anliegen ist, die Öffentlichkeit für eingefahrene Wahrnehmungsweisen von Muslimen und dem Islam zu sensibilisieren. Solche Sichtweisen würden auch durch Schulbücher, oft über Generationen hinweg, unreflektiert weiter getragen. Auch Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt, kritisiert, dass die "vereinfachenden Darstellungen des Islam einem glaubwürdigen interkulturellen Dialog mit der muslimisch geprägten Welt im Weg" stehen.
Susanne Kröhnert-Othman, eine der Autorinnen der Studie, fordert zum Beispiel die Überarbeitung von Kapiteln zum Thema „Migration“; dort seien Muslime oft als Sondergruppe außereuropäischer Zuwanderer dargestellt, die sich aufgrund ihrer mitgebrachten Traditionen nicht in Europa integrieren könnten. So wie die Schulbücher das Thema aufbereiten, seien sie nicht geeignet, der Islamfeindlichkeit etwas entgegen zu setzen, die Muslime in Europa zu Außenseitern erkläre und zur Zielscheibe mehr oder minder offener Ablehnung mache.
Das Schlusswort von Cornelia Pieper: „In dem Maße, wie es gelingt, Türen in andere Welten, Kulturen und Religionen zu öffnen und Brücken zu anderen Menschen zu bauen, werden wir gemeinsam zum friedlichen Miteinander in der Welt beitragen können.“
*Ein anderer Unterricht ist möglich ;-)*
Übrigens - wenn euch das Warten auf neue Schulbücher zu lange dauert: Schon seit 2007 gibt es das Projekt „1001 Idee für den Unterricht über muslimische Kulturen und Geschichte(n)“ (siehe untenstehenden Link), das regelmäßig neue Unterrichtseinheiten anbietet, die sich mit muslimischen Mehrheitsgesellschaften und muslimischen Minderheiten in Westeuropa beschäftigen. Bislang wurden 61 Einheiten zu den Themenfeldern „Alltag“, „Politik“ oder „Religion“online publiziert. Alle Materialien können kostenfrei heruntergeladen werden. Na das wäre doch mal eine Idee für die nächste Politikstunde, oder?
Mehr Infos im Netz
- www.gei.de
Georg-Eckert-Institut für internationale Schulbuchforschung - www.1001-idee.eu
1001 Idee für den Unterricht über muslimische Kulturen und Geschichte(n)
Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 19. September 2011