Was ich weiß von dir
Autor: Meg Rosoff
übersetzt von Brigitte Jakobeit
ab 12 Jahren
Der Roman „Was ich weiß von dir“ von Meg Rosoff erzählt ein eher gewöhnliches Roadmovie aus der Sicht einer ungewöhnlichen Ich- Erzählerin. Die zwölfjährige Mila ist nach der Hündin ihres Großvaters benannt und hat ein besonderes Gespür für Menschen. Gemeinsam mit ihrem Vater reist sie nach Amerika, eigentlich, um dessen besten Freund Matthew zu besuchen. Aber Matthew ist offenbar spurlos verschwunden. Mila und ihr Vater Gil begeben sich im Nordosten der USA auf die Suche nach ihm, eine Suche, auf der Mila viel lernt, über die Abgründe des Erwachsenenlebens und ihre eigenen Grenzen.
In einfachen Sätzen und fast lakonischer Sprache erzählt Meg Rosoff zunächst einmal eine spannende Story. Die Frage nach Matthew wird im Leser wachgehalten und lässt ihn das Buch nicht aus der Hand legen. Doch nicht nur durch das überraschende Ende, das das Selbstverständnis der Protagonistin infrage stellt, wird „Was ich weiß von dir“ zu einem poetischen und philosophischen Roman über das Erwachsenwerden.
Auf raffinierte Weise hat Rosoff Nebenfiguren gewählt, durch die sich neue Möglichkeiten des Geschichtenerzählens ergeben. So ist Milas Vater ein Buchübersetzer mit portugiesisch- französischen Wurzeln, was Rosoff die Möglichkeit gibt, portugiesische Wörter in den Roman einzuflechten, die über die Handlung hinausweisen: „Saudade“ zum Beispiel als die „Sehnsucht nach etwas Geliebtem und Verlorenem, etwas Verschwundenem oder Unerreichbarem“ (S. 10).
Die Protagonistin Mila selbst philosophiert gerne, nicht nur über Sprache und den Beruf ihres Vaters, sondern auch über das Erwachsenwerden und alles, was ihr im Alltag begegnet. Als Matthews kleiner Sohn Gabriel ihre selbstgemalten Bilder erkennt, heißt es zum Beispiel: „Drei Dimensionen in zwei, Federn und Fell in rosa und gelbe Buntstifte. Ein alltägliches Wunder“ (S. 260). Auch wenn ihre Nachdenklichkeit Mila dem Leser sympathisch erscheinen lässt, wirken die philosophischen Einsprengsel in dem Roman doch zum Teil zu erklärend, wenn nicht sogar belehrend. Selten verwendet Rosoff auch Metaphern, die in ihrer Funktion fraglich erscheinen.
Trotzdem wirkt die Erzählung gerade dadurch sehr gelungen, dass die Perspektive der Ich- Erzählerin konsequent eingehalten wird. Auch auf der Meta- Ebene wird es manchmal philosophisch, was dann nicht belehrend wirkt, sondern zum Nachdenken anregt: Eine Lüge verletzt Mila zutiefst, über eine andere freut sie sich unermesslich. Was ist richtig? Betont wird Milas Sichtweise durch das Auslassen von Anführungszeichen, wie es in Kurzgeschichten üblich ist.
Parallel zu dem eigentlichen Handlungsstrang erzählt Mila die Geschichte ihrer besten Freundin, deren Eltern sich scheiden lassen. Auch hier greift Rosoff auf originelle Motive zurück und schildert die Entwicklung von Beziehungen und Freundschaften, ohne darüber zu urteilen.
Einiges bleibt am Ende der Geschichte offen, und erst nachdem man den Roman zugeklappt und einige Stunden liegen gelassen hat, realisiert man, dass die Antworten auf diese Fragen nicht so wichtig sind. „Was ich weiß von dir“ erzählt von der Möglichkeit menschlichen Scheiterns, und davon, dass die Frage nach Schuld und Verantwortung selten eindeutig gelöst werden kann. Es erzählt von Verlust, Beziehungskrisen, von Flucht. Doch das Ende birgt eine Chance für die Figuren: Letztlich hat jeder sein Schicksal doch selbst in der Hand.
*Erschienen bei KJB*
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Autorin / Autor: Ina - Stand: 29. Juni 2015