Virtuelles Wasser
Was haben Kaffee, Rindfleisch, Butter und Kakao gemeinsam? Klar- alle vier Produkte sind lecker und essbar! Und blöderweise haben sie alle eine miserable Wasserbilanz.
Knapp 16.000 Liter Wasser werden für die Produktion von einem Kilo Rindfleisch verbraucht, ein Kilo Kakaobohnen benötigt sogar 27.000 Liter. Die so häufig geschmähte Avocado scheint da mit ihren 1.500 Litern pro Kilogramm fast schon ein Muster-Gemüse zu sein, liegt sie doch mit ihrem Wasserverbrauch deutlich unter Geflügel, Rind- und Schweinefleisch. Klar – Tiere konsumieren täglich Wasser. Und das nicht nur in flüssiger Form. Neben dem Wasser, dass sie täglich trinken, fließen weitere Liter in den Anbau von Futter, Streu und anderen Produkten. Da wir dieses Wasser nicht direkt sehen, wird es auch "virtuelles Wasser" genannt.
Wer eine Tasse Kaffee oder Kakao genießt, schlürft also nicht nur die direkte Flüssigkeit in der Tasse sondern indirekt auch das Wasser, das die Kaffee- und Kakao Pflanzen brauchen, um die kostbaren Bohnen auszubilden und das Wasser, was durch den Anbau vielleicht unbrauchbar geworden ist. Auch wenn der einen oder anderen nun die Idee, in Zukunft nur noch von Avocados zu leben, verlockend erscheint, ist es mit dem Wasserverbrauch etwas komplizierter, als die bloßen Mengenangaben auf den ersten Blick denken lassen.
Wasser ist nicht gleich Wasser
Unterschieden wird bei virtuellem Wasser meist zwischen blauem, grünem und grauem Wasser. Unter letzterem versteht man Schmutzwasser, das bei der Produktion von Gegenständen 'verbraucht' wird und danach oft so dreckig ist, dass es nicht ohne weiteres wieder aufbereitet werden kann. Das passiert, wenn Obst- und Gemüsesorten gespritzt werden, Dünger in Wasservorkommen gelangt, Öl ausläuft oder in Fabriken mit vielen Chemikalien hantiert wird.
Unter blauem Wasser wird allgemein Grundwasser mit dem Wasser zusammengefasst, das an Oberflächen, also zum Beispiel in Seen oder Flüssen, zu finden ist. Wenn für die Produktion von Nahrungsmitteln, Kleidungsstücken, Möbeln oder anderen Produkten viel blaues Wasser verbraucht wird, kann das zu Schwierigkeiten führen - besonders für wasserarme Regionen, in denen bei dauerhaftem Verbrauch der Grundwasserspiegel absinkt.
Aus umweltpolitischer Perspektive ist es am besten, wenn das Wasser, das eine Pflanze zum Wachsen benötigt, aus den oberen Erdschichten kommt. Dieses sogenannte grüne Wasser kann durch Niederschläge wieder 'aufgefüllt' werden und stellt, besonders in niederschlagsreichen Regionen wie Mitteleuropa, eine sichere Wasserquelle dar.
Sojabohnen aus Deutschland oder Österreich, die auch einen recht hohen Wasserverbrauch auf die Waage (oder in den Messbecher) bringen, haben daher eine deutlich bessere Wasserbilanz (sie verbrauchen vor allem grünes Wasser) als Avocados, die mit blauem Wasser gegossen werden und besonders in warmen, meist extrem wasserarmen Regionen wie Israel und Mexiko und Südafrika prächtig gedeihen.
Worauf kann ich achten?
Wer schon einmal versucht hat, komplett auf das eigene Lieblingsessen zu verzichten, weiß, wie schwer das ist. Im Supermarkt sieht man plötzlich überall den Lieblingskaffee, die Avocados sehen von Einkauf zu Einkauf verlockender aus und irgendwann macht sich der Gedanke breit, warum man eigentlich nur selbst verzichtet, während alle anderen Menschen sich die köstlichsten Lebensmittel in den Mund schaufeln. Statt also Avocado, Südfrüchten, Kakao oder Baumwolle auf ewig zu entsagen, kann man Vergleiche anstellen. Bei dem Tofu aus Österreich wurde vermutlich mehr grünes Wasser verbraucht als bei dem aus Israel und wer Sojabohnen direkt verarbeitet statt sie an Tiere zu verfüttern, die später verspeist werden, kann auch den einen oder anderen Liter Wasser einsparen.
Für die allgemeine Klimabilanz von Kleidung, Lebensmitteln und anderen Produkten spielen natürlich auch andere Kriterien eine Rolle. Kurze Transportwege sind meist klimafreundlicher als lange, wer saisonales Obst und Gemüse ist, spart nicht nur Wasser sondern auch Energie und statt das Shirt wegzuschmeißen, das dir nicht mehr gefällt, freut sich vielleicht eine Freundin darüber. Das virtuelle Wasser in dem T-Shirt wird dadurch zwar nicht weniger, aber es wird auch kein neues verbraucht - und das ist doch schon ein riesiger Schritt!
Quellen und weiterführende Informationen
Autorin / Autor: Karla Groth - Stand: 12. Oktober 2021