Meg Wolitzer ist eine erfolgreiche Autorin, die bereits zahlreiche Bücher und Kurzgeschichten für Erwachsene veröffentlicht hat. Zwei ihrer Bücher wurden sogar verfilmt, ihr Buch „Die Interessanten“ wurde vielfach ausgezeichnet. Mit „Was uns bleibt ist jetzt“ veröffentlicht Wolitzer ihr erstes Buch, das sich an ein jugendliches Publikum richtet.
Jam ist nicht mehr sie selbst. Seit die 15jährige ihre erste große Liebe, Reeve, verloren hat, will sie nicht mehr am echten Leben teilnehmen. Ohne Reeve hat es ihr nichts zu bieten, ohne Reeve macht alles keinen Sinn. Jams Eltern versuchen ihr zu helfen und schicken sie in ein Internat für „hochintelligente, emotional fragile Teenager“: Wooden Barn. Auch dort hat Jam wenig Interesse an ihrer Umwelt. Nur ein Kurs schafft es, sie aus ihrem Kokon herauszulocken: Ausgewählte Themen der Literaturgeschichte. Es ist ein Kurs, in den jedes Jahr nur 5 Schüler eingeteilt werden und es ranken sich viele Mythen um die Auswahlkriterien. Niemand weiß, was in diesem Kurs wirklich unterrichtet wird, nur dass alle Schüler, die ihn jemals besucht haben, danach davon sprachen, dass er ihr Leben verändert habe. Von ihrer Lehrerin, Mrs Q, erhalten die Schüler des Kurses Tagebücher, in die sie zwei Mal pro Woche etwas schreiben sollen. Es ist Teil des Kurses, am Ende des Halbjahres wird Mrs Q die Tagebücher wieder einsammeln, aber nicht lesen. Zunächst ist keiner der Schüler von dieser Aufgabe begeistert, zumal jeder von ihnen sein ganz eigenes Trauma durchlebt hat, das er verarbeiten muss. Während Jam ihre große Liebe verloren hat, sind auch die anderen auf verschiedenste Weisen vom Schicksal gezeichnet. Als Jam beginnt, in ihr Tagebuch zu schreiben, geschieht etwas Außergewöhnliches, das Jam kaum glauben kann. Nach und nach scheinen die anderen vier ähnliche Erfahrungen zu machen und eine turbulente Zeit zwischen Gegenwart und Vergangenheit, zwischen Traumata und Glückseligkeit beginnt.
Wolitzer erzählt in „Was uns bleibt ist jetzt“ eine Geschichte mit verschiedenen Komponenten: Es geht um Liebe und Freundschaft, es geht aber auch um Trauer und um deren Bewältigung. Während mir einige dieser Komponenten sehr gut gefallen, weil sie harmonisch in den Rest der Erzählung passen, wirken andere fehl am Platz und bemüht. Im Zentrum steht die Liebesgeschichte zwischen Reeve und Jam, und die daraus resultierende Trauer. Dieses Motiv zieht sich wie ein roter Faden durch die komplette Erzählung und sorgt für die etwas düstere Grundstimmung, die mir ganz gut gefällt. Jam lernt im Laufe der Zeit, ihre Gefühle zu reflektieren und auszudrücken: „Trauer begleitet mich bei allem, was ich mache. Aber es wird erwartet, dass man so tut als wäre sie nicht da. Wenn man jemanden verliert, wie soll man sich da noch um irgendwelche dummen Alltagsdinge kümmern? Ob eine Prüfung schwierig ist oder ob man Spliss hat oder sich mit einer Freundin gestritten hat?“ (S. 136). Ihr Charakter durchläuft eine bemerkenswerte Entwicklung, da sie zunächst zynisch ist und jede Art von Hilfe ablehnt: „Diese Klasse ist wie einer von diesen Läden, der 24 Stunden geöffnet hat, nur dass hier ausschließlich Depressionen angeboten werden. Wenn es tatsächlich ein Geschäft wäre, müsste man es Trübsal-Markt nennen.“ (S. 77). Später öffnet sie sich und tauscht sich auch mit den anderen Schülern über ihre Gefühle aus.
Zwei Dinge, die mir weniger gut gefallen haben, sind die Fantasy-Elemente und die Gespräche der Schüler untereinander. Während mir die Fantasy-Komponenten einfach persönlich nicht gefallen, habe ich bei den Gesprächen der Schüler häufig den Eindruck gehabt, dass die Autorin Schwierigkeiten hatte, sich wirklich in junge Menschen hineinzuversetzen. „Alle sagen irgendetwas Tröstliches. Wir versichern ihm, wie froh wir sind, dass er sich uns anvertraut hat, und bewundern seine Ehrlichkeit.“ (S. 183). Stellen wie diese wirken hölzern und bemüht auf mich, sie machen die Erzählung weniger authentisch.
Insgesamt hat mir „Was uns bleibt ist jetzt“ bis auf zwei kleiner Kritikpunkt jedoch sehr gut gefallen. Es ist spannend geschrieben und ködert den Leser ganz gezielt mit immer neuen Geheimnissen, die es aufzudecken gilt. Jeder Charakter, den die Autorin einführt, hat eine eigene Persönlichkeit und wirkt stimmig. Das Buch ist fesselnd und unterhaltsam und für alle zu empfehlen, die auf düstere Liebesgeschichten mit einer Prise Fantasy stehen.
*Erschienen bei cbt*
Autorin / Autor: lacrima - Stand: 7. August 2015