Weil.

Autor: Martin Muser

Fünf Jugendliche, die kurz vor dem Abitur stehen, beschließen, in ein Wochenendhaus zu fahren, um dort gemeinsam in Ruhe für die Prüfungen zu lernen.
Auf dem Weg lesen sie einen Anhalter auf. Der benimmt sich von der ersten Sekunde an höchst seltsam und geht bald allen tierisch auf die Nerven. Als ihnen seine Äußerungen schließlich zu bunt werden, lassen die Freunde ihn an einer Tankstelle einfach zurück und werfen obendrein seinen im Auto verbliebenen Rucksack bei voller Fahrt aus dem Fenster.
Im Haus angekommen, haben sie den Vorfall schon beinahe wieder vergessen. Bis besagter Anhalter plötzlich bei ihnen vor der Tür steht: Er will seinen Rucksack zurück – und hat unangenehme Verstärkung mitgebracht, die zu allem bereit ist, um das auch durchzusetzen…

Als ich „Weil.“ ausgepackt habe, war ich zunächst einmal überrascht, wie dünn es ist. Das Buch hat gerade einmal hundertdreiundzwanzig Seiten. Bei allem, was ich bisher über die Handlung wusste, hatte ich einen richtigen Roman erwartet, keine etwas zu lang geratene Kurzgeschichte, wie es hier den Anschein hatte. Doch ich muss sagen – hier liegt in der Kürze tatsächlich die Würze! Ich war direkt begeistert.
Natürlich kann man hier keine allzu ausgeprägten Charaktertiefen erwarten, zumal es ja doch recht viele Charaktere gibt, die auf wenigen Seiten agieren. Dennoch hat Autor Martin Muser es geschafft, dass ich ein recht klares Bild von ihnen vor Augen hatte. Sie sind alle sehr unterschiedlich, haben ihre eigenen Sorgen und Probleme – und ihren eigenen Umgang mit der Situation, in die sie geraten.

Die Thematik des Buches ist maximal unangenehm und lässt einen auch permanent die eigenen moralischen Werte hinterfragen. Wie würde man selbst handeln, wenn man akut bedroht wird und darüber hinaus nicht nur das eigene Leben auf dem Spiel steht? Würde man sich opfern, um andere zu retten? Oder wäre man die Person, die versucht zu fliehen, ganz gleich, was dann mit den anderen geschieht, die einem doch eben noch so wichtig gewesen sind?
Ich habe alle möglichen Emotionen und Gefühlsregungen durchlebt: Von Angst, Wut, Trauer, Entsetzen bis hin zu absolutem Unverständnis und purem Schock. Die drei Figuren, die hier als Antagonisten fungieren, waren sehr gut gewählt.

Am schlimmsten ist es ja meistens, wenn man es mit Menschen zu tun hat, die im Grunde nichts zu verlieren haben und deshalb zu allem fähig sind. An manchen Stellen stockte mir wahrlich der Atem.
Ich fand darüber hinaus auch das Nachwort des Autors sehr eindrücklich, obwohl auch dieses nur sehr knapp gehalten ist. Es ist schon eine Kunst, auf so wenigen Seiten so viel rüberbringen zu können.
Das Buch hat mich schockiert, ratlos und mit dem unangenehmen Gedanken zurückgelassen, dass man nie wissen kann, welche Seiten an einem zum Vorschein kommen, wenn wirklich der Ernstfall eintritt. Und ich denke, das war auch Sinn der Sache.
Mich hat es stark berührt und ich empfehle es jedem, der sich auf ein so heftiges Gedankenexperiment einlassen möchte. Und dann vermutlich nach Beenden des Buches froh ist, dass es eben nur genau das war.

*Erschienen bei Carlsen*

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Autorin / Autor: Sarah H. - Stand: 6. März 2023