Wie ein unsichtbares Band
Autorin: Inés Garland
Alma lebt mit ihren Eltern in Buenos Aires, Argentinien. Ihrer Familie geht es gut, sie gehören zur Mittelschicht und können sich jeden abend einen guten Wein leisten. Zur Schule fährt Alma mit dem Privatbus. Dort angekommen, erhält sie sehr guten Unterricht von Nonnen. Außerdem hat die Familie ein Haus auf einer kleinen Insel an einem Fluss in der Nähe der Stadt. Jedes Wochenende fahren Mutter, Vater und Tochter dorthin, um sich zu entspannen.
Marito und Carmen wohne bei ihrer Oma in einer kleinen Hütte. Außer den Dreien wohnen auch noch zwei Onkel, ein Baby und ein Hund im Haus der Familie. Jeden Tag müssen Marito und Carmen mit dem Boot zur öffentlichen Schule fahren. Was mit ihren Eltern ist, wissen sie nicht so genau. Die Großfamilie hält sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser - sie gehen putzen, reparieren Elektrogegenstände oder schneiden Schilf. Auch Marito und Carmen wohnen auf der Insel am Fluss, sie sind Almas Nachbarn und so lernen sich die Kinder an einem Tag, als der Fluss über die Ufer tritt, kennen.
Marito und Carmen sind ganz anders als die Kinder, mit denen Alma zur Schule geht. Schnell werden die drei zu besten Freunden. Die sozialen Unterschiede zwischen ihren Famiien scheinen keinen Rolle zu spielen. Das wird aber anders, als sich Alma mit den Jahren in Marito verliebt. Sowohl dessen Onkel als auch Almas Eltern haben etwas gegen die Beziehung der beiden. Schließlich kann es nur schief gehen, wenn zwei Liebende aus so unterschiedlichen Welten stammen - das ist viel zu unsicher. Unsicherheit kann sich in diesen Zeit niemand leisten. Denn das Militär hat den argentinischen Machthaber gestürzt und unruhige Zeiten stehen an. Da verschwindet plötzlich Marito und Carmen bittet Alma hochschwanger um Unterschlupf.
Inés Garland hat ein Buch vor dem Hintergrund der argentinischen Militätdiktatur geschrieben, in dem der flüchtige Leser das Gewaltregime nicht finden wird. Die Andeutungen sind gut versteckt, nur wenn der Leser mitdenkt, bekommt er eine Ahnung von der Gewalt dieser Zeit. Da sind Polizisten, die anzügliche Bemerkungen machen, da ist ein Warnung von Maritos Onkel und da gibt es Telefongespräche, die nur von Telefonzellen aus geführt worden sind. Kurz, der Leser wird nicht auf das Thema gestoßen, sondern sieht nur so viel, wie er in die Geschichte hinein interpretieren möchte. Das hat mir zum einen gefallen. Schließlich scheint in der argentinischen Diktatur auch nichts wirklich öffentlich abgelaufen zu sein. Diese Andeutungen passen also sehr gut in den Kontext. Andererseits hätte ich mir am Ende etwas mehr Aufklärung gewünscht. Viele Zusammenhänge bleiben vage, sodass der Leser nur spekulieren kann. Aber auch ohne diesen finalen Zusammenhang ist “Wie ein unsichtbares Band” lesenswert. Der Autorin gelingt es, wunderschöne Szene zu zeichnen. Die Welt auf der Insel am Fluss ist zauberhaft und unbeschwert. Bildlich hat der Leser vor Augen, wie der schwimmende Marktstand am Steg vorbeifährt, während Marito dort einen Fisch angelt und neben ihm der Hund in der Sonne liegt. Im krassen Gegensatz dazu steht Buenos Aires als laute, schmutzige Stadt, in der sich Alma nie richtig einleben kann.
Eine weitere Stärke der Autorin ist es, Atmosphäre zu schaffen. Mal lacht der Leser vor Leichtigkeit mit Alma, mal fühlt er sich genauso einsam wie sie. Zum Beispiel dann, wenn sie auf der Party nicht zum Tanzen aufgefordert wird. Oft werden dem Leser auch die Tränen kommen.
Fazit: Eine leicht erzählte Geschichte mit vielen Emotionen - lesenswert.
*Erschienen bei Fischer KJB*
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Autorin / Autor: missmarie - Stand: 26. April 2013