Digitalverband Bitkom hält vorschnelle Regulierung gegen Falschmeldungen für gefährlich
Die Sorge, dass Fake News, also absichtlich produzierte Falsch-Meldungen, die im Internet vor allem in sozialen Netzwerken geteilt werden, das Meinungsbild großer Bevölkerungsgruppen prägen und zur Radikalisierung oder undemokratischen bis hasserfüllten Gesinnung führen, ist in den letzten Monaten groß geworden. Nicht zuletzt seit solchen Meldungen nachgesagt wird, dass vor allem sie dazu geführt haben, dass nun ein Antidemokrat zum amerikanischen Präsidenten gewählt wurde. Wie also damit umgehen? Sie so schnell wie möglich löschen? Die Verantwortlichen bestrafen?
*Diskussion versachlichen*
Nun hat sich der Digitalverband Bitkom dazu geäußert und davor gewarnt, mit einer vorschnellen Regulierung gegen Falschmeldungen bzw. Fake News im Internet vorzugehen. „Die Sorge der Politik ist verständlich, dass Falschmeldungen die öffentliche Meinung im Wahljahr beeinflussen könnten“, sagte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder. In der aktuellen Diskussion würden aber Begriffe wie Fake Follower, Fake News, Hatespeech oder Social Bots wild durcheinander geworfen. Deshalb fordert er, die Diskussion zu versachlichen und zu differenzieren, denn vermeintlich einfache und schnelle Lösungen könnten diesen komplexen Phänomenen nicht gerecht werden.
*Meinungsfreiheit bedroht? *
„Rechtsstaatliche Prinzipien und das hohe Gut der Meinungsfreiheit müssen geschützt werden“, sagte Rohleder. So könnten die diskutierten Löschpflichten innerhalb von 24 Stunden unter Androhung hoher Bußgelder dazu führen, dass die Betreiber sozialer Netzwerke aus Sorge vor rechtlichen Konsequenzen und bei unklaren Fällen im Zweifel mehr Inhalte löschen als notwendig. Das könnte laut Rohleder die Meinungsfreiheit massiv einschränken und die Grenze zwischen Presseerzeugnissen und Plattformen verwischen. Eine Alternative dazu sei, die Medien- und Informationskompetenz der Nutzer_innen zu stärken, damit sie Falschnachrichten besser erkennen können. Eine repräsentative Umfrage im Auftrag des Bitkom unter 1.009 Personen ab 14 Jahren hat ergeben, dass zwei von drei Bundesbürger_innen (68 Prozent) in den vergangenen 12 Monaten Falschmeldungen oder Fake News in klassischen Medien oder in sozialen Online-Medien aufgefallen sind.
In der Umfrage werden Fake News als Nachrichten verstanden, die sich als offensichtlich falsch herausgestellt haben. Das können „Zeitungsenten“ sein, die in der Regel die Folge von sachlichen Fehlern oder einer unklaren Quellenlage sind. Fake News seien aber dagegen vor allem absichtlich produzierte Meldungen, deren Ziel es ist, die öffentliche Meinung zu beeinflussen, Personen, Institutionen oder Organisationen zu schaden oder mit ihrer Verbreitung Geld zu verdienen. In der Regel werden diese Fake News über spezielle Webseiten oder soziale Medien gestreut. „Zeitungsenten, gezielt gestreute Gerüchte und Meinungsmache hat es schon immer gegeben“, betonte Rohleder. „Heute geben das Internet und die sozialen Medien jedem die Möglichkeit, direkt mit seinen Zielgruppen oder der breiten Öffentlichkeit zu kommunizieren. Nachrichten verbreiten sich auf diesem Weg deutlich schneller als früher.“
*Mehrheit sieht starke Zunahme von Falschmeldungen*
Laut Umfrage haben 40 Prozent der Befragten einen leichten und 31 Prozent sogar einen starken Anstieg von Falschmeldungen bzw. Fake News wahrgenommen. Nur ein Fünftel der Befragten fand, dass es keine Veränderung gibt. Die am häufigsten genannten Themen der Falschmeldungen waren mit jeweils 72 Prozent der Wahlkampf in den USA sowie das Thema Flüchtlinge. Neben anderen politischen Themen haben die Nutzer_innen aber auch Falschnachrichten zu Kriminalität (55 Prozent), Vermischtem (32 Prozent), Wirtschaft (29 Prozent) oder Gesundheit (21 Prozent) wahrgenommen. 8 Prozent derjenigen, denen Falschmeldungen aufgefallen sind, haben sogar selbst schon einmal Falschmeldungen bewusst oder unbewusst im Internet geteilt.
*Informations-Kanäle stark vom Alter abhängig*
Nach den Ergebnissen der Umfrage informieren sich die bei weitem meisten Menschen weiterhin in den klassischen Medien über aktuelle Nachrichten: 92 Prozent im Fernsehen, 72 Prozent in der Tageszeitung und 69 Prozent im Radio. Ein großer Teil (68 Prozent) informiert sich auch über das persönliche Gespräch mit Familie, Freunden oder Bekannten. Das Internet liege in der Gesamtbevölkerung als Informationsquelle mit 63 Prozent auf Platz fünf, so die Umfrageergebnisse. Allerdings schiebt sich in der jüngeren (14 bis 29 Jahre) und mittleren Altersgruppe (30 bis 49 Jahre) das Internet als Informationsquelle auf Platz zwei.
*Werden Soziale Netzwerke überschätzt?*
Selbst wer sich im Internet informiere, nutze zuallererst die Nachrichtenseiten der Printmedien (79 Prozent), mit 69 Prozent folgten TV-Sender, die Startseiten von E-Mail- bzw. Internet-Providern wie T-Online oder Web.de (67 Prozent) sowie die Nachrichtenangebote von Radiosendern (27 Prozent). „Die klassischen Medien sind die erste Anlaufstelle für Nachrichten im Internet und haben eine enorme Reichweite im Web“, sagte Rohleder. Lediglich jeder Fünfte informiere sich über Facebook, Twitter, Xing oder Messenger wie WhatsApp. Immerhin 18 Prozent schauen Nachrichten auf Videoportalen und 12 Prozent informieren sich in Blogs. „Die Bedeutung sozialer Netzwerke als Informationsquelle wird offenkundig überschätzt“, sagte Rohleder. „Soziale Netzwerke dienen primär der persönlichen Kommunikation und nicht der politischen Information.“ Selbst unter den 14- bis 29-Jährigen gibt nur jeder Vierte an, soziale Netzwerke zu nutzen, um sich über das aktuelle Geschehen zu informieren.
*Rechtslage ausreichend*
Um angemessen mit rechtswidrigen Inhalten umzugehen, reicht die aktuelle Rechtslage aus Sicht des Bitkom vollkommen aus, denn solche Inhalte müssten schon heute von den Betreibern von Online-Plattformen gelöscht werden, wenn sie davon Kenntnis erlangen, so Rohleder. Handelt es sich dabei sogar um Straftaten wie Beleidigungen, Verleumdungen oder Volksverhetzung, müssen die Behörden aktiv werden. Trotzdem ist auch Rohleder der Meinung, dass Straftaten im Internet noch konsequenter verfolgt werden müssten. "Dafür müssen Strafverfolgungsbehörden und Gerichte finanziell und personell so ausgestattet werden, dass sie dieser Aufgabe auch tatsächlich gerecht werden können“.
Darüber hinaus prüfen einige Anbieter erste Lösungen, um Fake News nach einem Fakten-Check kenntlich zu machen. Zum Beispiel sollen Nutzer potenzielle Falschmeldungen melden können und unabhängige Faktenprüfer den Wahrheitsgehalt prüfen.
Am wichtigsten im Kampf gegen Fake News sei jedoch, die Medien- und Informationskompetenz in der gesamten Bevölkerung zu verbessern, damit sie die Richtigkeit von Informationen besser einschätzen kann. Vom Jugendlichen bis zum Hochschul-Professor sollte jede_r wissen, wie man Informationen bewertet, wie man seriöse von unseriösen Quellen unterscheidet und wie man Informationen überprüfen kann. Dafür sollten sich Wirtschaft, Politik, Bildungseinrichtungen und Zivilgesellschaft gemeinsam einsetzen. Rohleder: „Im Umgang mit Fake News gibt es keine einfachen, schnellen Lösungen. Wir sagen: Hände weg von Zensur. Wir brauchen jetzt einen langen Atem. Es gilt, allen Bevölkerungsgruppen eine souveräne Bewegung in der digitalen Medienwelt zu ermöglichen und echte Medienkompetenz zu entwickeln.“
Autorin / Autor: Redaktion/Pressemitteilung - Stand: 3. Februar 2017