Wie wir brennen
Autorin: Sarah Hall
Aus dem Englischen von Eva Bonné
Was ist, wenn ein Virus jahrelang in deinem Körper schlummert? Wenn du eine Gesellschaft auseinanderfallen, geliebte Menschen leiden siehst?
Edith Harkness sieht zu, wie das Virus zurückkehrt und zieht in ihrem Atelier Bilanz über ihr Leben. Da ist die Kindheit bei ihrer Mutter, die gegen die eigenen Dämonen kämpft und Edith einen unüberwindbaren Drang nach Selbstbestimmung mit auf den Weg gibt. Ihre Jugend und die Zeit an der Hochschule, Beziehungen und Menschen, die an ihr zupfen und sie in die eine oder andere Richtung verbiegen wollen. Doch die Bildhauerin bahnt sich ihren eigenen Weg und legt ihre Wünsche und Träume unter dem Dickicht an Anforderungen frei.
Die treiben sie in das Haus oben auf dem Hügel, Burntcoat, und schwemmen sie schließlich in die Arme eines Fremden, dem sie viel näherkommt als sie anfänglich vermutet. Denn gemeinsam halten sie sie sich aneinander fest in jenem Sommer, in dem das Virus umgeht und alle sich zu Hause einschließen. Sie teilen Leidenschaft und Geschichten, Ideen und Wünsche, während draußen das Virus wüted. Ein Virus, das das Land, den Kontinenten, die Welt im Würgegriff hält. Ein Virus, das mit durchschlagender Wucht Familien auseinanderreißt, Leben zerstört und tiefe Gräben in die Gesellschaft schlägt.
Beim Lesen drängen sich Parallelen zu der ausklingenden Corona-Pandemie auf, aber die Geschichte ist dennoch abstrakt genug, damit das wohlige, entsetzte Kribbeln beim Lesen nicht umschlägt. Sarah Hall zeichnet erschreckende Bilder von Beziehungen und Gesellschaften, aber sie gibt Edith keine verbitterte Stimme.
Dennoch kann das Buch wie eine Warnung gelesen werden. Nachdem man die letzten Seiten des Buches durchgeblättert und Burntcoat verlassen hat, bleibt die Frage, was eigentlich gefährlicher für Menschen ist: Ein Virus oder die anderen Menschen, eine Gesellschaft in der jede:r Einzelne sich selbst am nächsten steht und in der der Gewinn der einen auch immer den Verlust der anderen bedeutet. Vielleicht können wir ja lernen aus Literatur und Kunst, die sich jetzt rund um Pandemien, Zoonosen und Viren entspannt. Wünschenswert wäre es, damit wir nicht alle irgendwann wie Edith dasitzen und unser Leben abwägen müssen.
*Erschienen im Penguin Verlag*
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Autorin / Autor: Johanna94 - Stand: 19. Juli 2023