Wir beide in Schwarz-Weiß
Autorin: Kira Gembri
Schwarz auf weiß, die Silhouette zweier Menschen, die sich an den Händen halten und vor der grauen Skyline einer Stadt über Pfosten balancieren. Um sie herum fliegen türkisblaue Schmetterlinge über das Cover. Im selben türkisblau mit Tinteneffekt steht wie in Schreibschrift über die halbe Seite „Wir beide in Schwarz-Weiß“. Doch was sich auf gut 300 Seiten zwischen den Buchdeckeln verbirgt, ist eine Geschichte, die in allen Nuancen des Farbspektrums leuchtet.
Auf den ersten Blick haben Kris und Alex nicht viel gemeinsam, außer vielleicht einem eher besorgniserregendem Hang fürs Extreme.
Alex: Von einer Pflegefamilie zur nächsten gereicht, jetzt Bruchbuden-WG mit seinen Kumpels Jay und Flocke (und der Psychoprinzessin Lea). Drogendealer, sein „Zweitjob“, weil er den Kick dabei braucht und im Café (Hauptjob) nicht gerade viel verdient.
Kris: Künstlerin, sie macht Performance Art, ihr Idol ist Marina Abramovic. Studentin, aus gutem Haus. Halbjapanerin.
Eigentlich begegnen sie sich durch Zufall im Café, wo Alex arbeitet und Kris versucht, ihre Performance „Coffee Claim“ für einen Wettbewerb abzuhalten. Im Grunde tischt sie dabei anderen Cafébesuchern Geschichten darüber auf, in ihrem Kaffee sei nicht wirklich das, was sie bestellt hätten, die Milch wäre gar nicht Bio, nicht fettarm. Bis Alex sie rausschmeißt und obendrein ihr Notizbuch, in dem sie alles haarklein für ihre Performance dokumentiert, in einer Tasse Kaffee versenkt.
Trotzdem geht sie ihm nicht aus dem Kopf – irgendetwas hat sie an sich… Und auch Kris bleibt der Barista – Alex – im Kopf.
Bis sie sich auf einer Party in Kris‘ Studentenwohnheim wiedersehen, wo Alex gemeinsam mit Jay versucht, ein bisschen Gras zu verkaufen – das schließlich, nachdem die Polizei die Party wegen Ruhestörung gesprengt hat, aus der Not heraus in Kris‘ Tasche landet. Alex ist gezwungen, sie wiederzusehen und irgendwie sein Gras zurückzubekommen.
Wie zu erwarten kommen sie sich näher und hin und her beginnt. Denn jeder von ihnen trägt ein gewaltiges emotionales Päckchen mit sich herum und wirft sie in eine gemeinsame Achterbahn, die nun wirklich keine Emotion auslässt.
„Wir beide in Schwarz-Weiß“ hat mich von der ersten Seite an gefesselt und letztlich sogar so gut gefallen, dass ich es gleich nochmal gelesen habe. Es ist sehr gut geschrieben, jugendnah und mit der perfekten Mischung aus Humor und Tiefgründigkeit. Auch befasst sich das Buch mit sehr ernsten Themen, dem Umgang mit Trauer, psychischen Krankheiten (im Laufe der Geschichte erfährt man, dass Alex an einer s.g. BPS – Borderline Persönlichkeitsstörung leidet) und dem Umgang damit, aber auch Mut und Vertrauen zu fassen, Zusammenhalt und Freundschaft. Es ist sehr vielschichtig ohne überladen zu sein, statt die Themen nur anzureißen werden sie gut in die Story eingegliedert und bearbeitet. Dennoch wird den düsteren und traurigen Themen viel Licht gegensätzlich, hat schöne und durchaus auch mal träumerisch-kitschige Momente und eine ordentliche Portion Witz.
Interessant ist auch, dass es eine Art „Parallelerzählung“ zu einem anderen Buch von Kira Gembri, „Wenn du dich traust“, ist, aber unabhängig davon und ohne Vorwissen genossen werden kann.
Ich kann es jedem nur wärmstens empfehlen, weil es für jeden etwas bietet: für die Romantiker und Happy End-Liebhaber (auch wenn das Ende trotz allem viel offen lässt), für die Nachdenker, die sich gern über die Geschichte hinaus mit den Buchthemen beschäftigen (hier lässt sich wirklich mehr als genug finden), für die Träumer und Actionfans (Alex‘ Zweitjob sorgt durchaus für Nervenkitzel) und natürlich für die, die einfach nur was Schönes zum Schmökern haben wollen. Tatsächlich war ich begeistert genug, um mir gleich noch den Parallelband zu besorgen – also von mir glatte 5/5 Sternen für dieses Goldstück!
*Erschienen bei Arena*
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Autorin / Autor: cheshirekitty - Stand: 2. Januar 2017