Wir fallen nicht
Autorin: Tanja Küddelsmann
übersetzt von Tanja Küddelsmann
Mitja und Wladimir sind zwei Brüder, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Obwohl Wladimir mit seinen 15 Jahren nur ein Jahr älter ist als sein kleiner Bruder, haben die beiden sich vollkommen unterschiedlich entwickelt: Mitja ist mit seinem besten Freund Noel viel draußen unterwegs. Sie rennen gerne durch den Wald oder machen Erkundungstouren durch dreckige, verlassene Gebäude. Außerdem sprühen die beiden gerne Graffitis, womit sie sich häufig am Rande der Legalität bewegen. Wladimir ist da ganz anders: Er würde nie das Gesetz brechen, am liebsten bleibt er zuhause, drinnen, alleine. Er schaut gerne Filme und taucht dabei ein in eine andere Welt. Viele Leute unterschätzen ihn deshalb, halten ihn für weniger mutig als seinen jüngeren Bruder. Um ihnen zu beweisen, dass dem nicht so ist, folgt er Mitja und Noel eines Nachts von den beiden unbemerkt in ein altes, leerstehendes Silo: Als er die beiden auf dem Dach überrascht kommt es jedoch zur Katastrophe: Noel stürzt zehn Meter in die Tiefe und stirbt noch am Unfallort. Seit dem ist das Leben von Mitja und Wladimir von Trauer geprägt. Ihre Mutter entscheidet in den Ferien einen Wohnwagen zu mieten und auf einem Campingplatz am Meer zu fahren, sodass die beiden Jungen all die schrecklichen Erinnerungen hinter sich lassen können. Doch auch dort kann Mitja, die Hauptperson des Buches, sich nicht von seiner Vergangenheit lösen. Immer wieder sieht er ein mysteriöses Mädchen, ganz in weiß gekleidet. Er würde so gerne mit ihr sprechen, doch sie verschwindet jedes Mal viel zu schnell. Schließlich freundet er sich mit einer Gruppe Jungen, den Wracks, an, die ganz alleine, ohne Eltern am Strand zu leben scheinen. In der Zeit, die er mit den Wracks verbringt, scheint sein eigentliches Leben in weite Ferne zu rücken. Es gibt nur noch das Meer, das ihn zu rufen scheint, die Geborgenheit am Strand und das Zugehörigkeitsgefühl in der Gruppe. Nach einer Weile findet er heraus, dass die Jungen am Strand und das mysteriöse Mädchen in weiß verfeindet sind, doch niemand will ihm sagen warum. Mitja muss sich auf eine Reise begeben, die ihn immer weiter weg von seiner Familie und immer weiter hin zu den Geheimnissen des Jenseits bringt.
Insgesamt ist es schwierig, den Inhalt des Buches knapp zusammen zu fassen. Das liegt unter anderem daran, dass sich ein Großteil der zweiten Hälfte der Geschichte beim Lesen nicht real anfühlt. Die Autorin nimmt den Leser mit in eine Welt, in der Leben und Tod verschwimmen, in der Erinnerungen trügerisch sind und in denen man von verschiedenen Seiten manipuliert wird. Ganz am Ende wird klar, wieso das so ist und wer welche Interessen verfolgt. Es erklärt sich auch, warum viele der Dinge, die Mitja am Strand erlebt, äußerst realitätsfern wirken. Doch bis dahin befindet sich der Leser in einer Art Schwebezustand, in dem es nur wenige Fakten gibt, die den Fortgang der Geschichte betreffen. Stattdessen muss man sich als Leser auf alles einlassen, was passiert.
Wer damit gut zurecht kommt und sich beim Lesen gerne schlafwandelnd vorkommt, wer es genießt im Unklaren gelassen zu werden und die genaueren Umstände nur zu erahnen, für den kann ich dieses Buch durchaus empfehlen. Wer sich jedoch an diesen Punkten stört und lieber eine Geschichte hat, die zu jeder Zeit nachvollziehbar und realistisch ist, für den ist dieses Buch eher weniger geeignet.
*Erschienen bei Ravensburger*
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Autorin / Autor: lacrima - Stand: 29. September 2014