Wozu wir fähig sind
Autorin: Laila El Omari
Alina, Patrick, Robin, Hannah und Maximilian sind ganz normale Teenager: Manche von ihnen studieren schon, andere gehen noch zur Schule. In ihrer Freizeit gehen sie gerne aus oder Kaffee trinken, hören Musik oder machen Sport. Manche haben Eltern mit mehr Geld, andere sind weniger wohlhabend. So hat jeder seine kleineren und größeren Herausforderungen im Alltag, die er meistern muss. Eines Tages treten Alexander und Leonora in diese heile Welt: Alexander studiert Jura, ist ziemlich gutaussehend und scheinbar stinkreich. Seine Eltern oder seine Familie kennt niemand, wo er zuvor gelebt hat, weiß auch niemand so recht. Leonora scheint zu ihm zu gehören, doch die beiden wohnen nicht zusammen und treten auch nicht wirklich wie ein Liebespaar auf – was verbindet sie also? Obwohl Alina und Patrick eher skeptisch sind, und auch Hannah und Maximilian sich keinen Reim auf die beiden machen können, kann kaum ein Mitglied der Clique dem Charme von Alexander wiederstehen. Robin lässt sich von ihm sogar beim Investieren helfen und geht dabei ein großes Risiko ein. Plötzlich muss Robin feststellen, dass Alexander das komplette ihm anvertraute Vermögen verloren hat – scheinbar mit Absicht. Was für ein Spiel treibt Alexander, und warum? Und wie passt es dazu, dass Leonora ihm nicht von der Seite weicht und ihm scheinbar aufs Wort gehorcht? Bevor Robins Freunde verstehen, was genau vor sich geht, ist es bereits zu spät und sie können nur noch zuschauen, wie ihre Leben aus den Fugen geraten.
Beim Lesen von „Wozu wir fähig sind“ hat man ein wenig das Gefühl, die Autorin selbst verfolgt die Geschichte in einer Glaskugel: Die Atmosphäre ist irgendwie dunkel und mystisch, besonders am Anfang wirkt die Erzählung irgendwie bruchstückhaft und als Leser hat man Mühe, die einzelnen Kapitel und Personen sinnvoll miteinander zu verknüpfen. Immer mehr Personen treten auf, ohne dass Hintergrundinformationen präsentiert werden oder das deutlich wird, was sie mit der bisherigen Geschichte zu tun haben. Nur nach und nach erkennt man die Zusammenhänge und die Liste an Namen wird zu einer plastischen Gruppe von Freunden. Leider ist die Tiefe der einzelnen Personen beschränkt, wir erfahren gerade genug, um ihre Handlungen nachvollziehen zu können. Ihre Gedanken, Absichten, Gefühle bleiben weitestgehend verborgen, sodass man als Leser lange Zeit im Dunkeln tappt. Sobald der Lauf der Geschichte klarer wird und man erkennt, welche Rolle Alexander tatsächlich spielt, fügen sich die einzelnen Bruchstücke zu einem großen Ganzen zusammen. Der Moment der großen Enthüllung bleibt leider aus: Einerseits ist das Buch zu kurz, um umfassend und natürlich Spannung aufzubauen, andererseits ist der Ausgang dann zu früh zu offensichtlich.
Obwohl Laila El Omari in „Wozu wir fähig sind“ eine tolle Idee umsetzt, bleibt das Buch selbst leider hinter dem Potential dieser Idee zurück. Ich hätte mir gewünscht, dass sich die Autorin mehr Zeit nimmt, die einzelnen Figuren aufzubauen und voneinander abzugrenzen, sodass sie bereits früh unterscheidbar werden, und der Leser mit ihnen mitfiebern kann bis der Vorhang fällt. Insgesamt ist „Wozu wir fähig sind“ ein gutes Buch, das vor allem für Leserinnen geeignet ist, die etwas Spannung suchen, von zu dicken Büchern aber schnell abgeschreckt werden. Wer beim Lesen wirklich in eine Geschichte eintauchen will, der wird hier zu schnell mit den Füßen den Boden berühren.
*Erschienen bei Coppenrath*
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Autorin / Autor: lacrima - Stand: 10. August 2020