Der Umgang mit angelehnten Kellertüren
Einsendung zum Schreibwettbewerb "Eine angelehnte Tür" von Beltz & Gelberg und LizzyNet
Dass jemand die grüne Tür geöffnet hatte, wusste ich sofort. Ich blieb zögernd auf den Stufen der Kellertreppe stehen, die leeren Saftflaschen in der Hand. Die nackten Glühbirne, die an ihren Kabeln bedrohlich schief an der niedrigen Decke hing, reichte kaum aus, um den Korridor zu erleuchten. Trotzdem konnte ich am Ende des Ganges den Umriss der Tür erkennen, die direkt an unseren Kellerraum anschloss. Sie war angelehnt, als hätte jemand sie nur nachsichtig ins Schloss fallen lassen. Seltsam sah sie aus, zwischen all den einheitlichen braunen Holztüren, die sich reizlos im tristen Korridor aneinander reihten. Ich lauschte.
In den Heizungsrohren blubberte und gurgelte es. Oben im Haus vernahm ich laute Stimmen, wahrscheinlich stritt sich wieder das Ehepaar aus dem zweiten Stock über die Wasserrechnung. Irgendwo schrillte ein Telefon. Ich zuckte zusammen und kam mir gleich darauf so albern vor, das ich die letzten Stufen entschlossen hinunter stieg und unsere Kellertür öffnete. Ich stellte die Flaschen ab und beschloss, die grüne Tür keines Blickes zu würdigen. Warum sollte ich auch? An der Tür war ja auch nichts Besonderes ! Schließlich war sie bloß den Eingang zu einem langweiligen Abstellraum voller so unnützer Dinge, dass selbst der Eigentümer sie niemals öffnete. Dabei hatte er so viel Aufhebens um die Tür gemacht, daran konnte ich mich noch erinnern! Ewig hatten die Handwerker gebraucht, um das hässliche Ding, das bestimmt dreimal so dick war wie einen normale Sperrholztür, in den Keller zu wuchten. Das Stück war wohl antik mit den ganzen Zierbeschlägen und dem abblätternden, aber noch immer tiefgrünen Lack.
Trotzdem bezweifelte ich, dass der alte Herr die Tür nach dem Einsetzen mehr als einmal angesehen hatte. Wann immer ich den Keller betreten hatte, hatte ich sie sorgfältig verschlossen gefunden. Ich verriegelte unseren Keller wieder und spähte zur grünen Tür hinüber. Der blanke Messingknauf schimmerte nur ein paar Schritte entfernt blassgolden im matten Licht der Glühbirne.
Ich könnte ja eigentlich mal kurz nach dem Rechten sehen, nur schauen, ob alles in Ordnung war. Das machte man schließlich so unter Nachbarn, oder?
Ich fuhr mir mit der Zungenspitze über die Zähne. Dann legte ich den Kopf schief und versuchte, aus der Entfernung durch die schmalen Lücke zwischen Tür und Rahmen zu spähen. Nichts als Dunkelheit, so sehr ich meine Augen auch anstrengte. Vorsichtig machte ich einen Schritt vorwärts, den Blick unverwandt auf den dunklen Spalt geheftet. Mein Atem ging etwas schneller und auf meinen Handflächen bildete sich Schweiß, wie immer wenn ich nervös war. Vorsichtig streckte ich die Hand nach dem runden Knauf aus, als könne er ohne Vorwarnung Fangzähne entwickeln und nach mir schnappen. Von Weitem hatte er irgendwie einladend gewirkt, aus der Nähe erkannte ich wie viele von unzähligen Fingern abgenutzte Stellen er besaß. Ich würde nur einen kurzen Blick hinein werfen und die Tür wieder ordentlich schließen, so halb offen konnte ich die Tür ja nicht lassen. Da könnte ja jeder ...! Entschlossen griff ich nach dem glatten Knauf, der sich kühl in meine Handfläche schmiegte.
Plötzlich legte sich eine schwere Hand auf meine Schulter und ich zuckte kreischend zurück, sodass die grüne Tür mit einem ohrenbetäubendem Knall ins Schloss fiel. Ich fürchte, in diesem Augenblick ist wieder ein wenig mehr grüner Lack abgeblättert und ein paar Leute haben sich bestimmt über den Lärm geärgert.
Mein Bruder war jedenfalls sehr verärgert. „Was soll'n das, häh? Rad ab, oder was?“ Nicht dass er sonst besonders freundlich war, aber das beleidigte mich dann schon. „Schleich dich halt nicht so an! Ich wollte bloß die Tür schließen klar?“ Er grunzte und zuckte mit den Schultern. „Na, das haste ja geschafft!“ Verärgert wandte ich mich ab und haste, meinen Bruder hinter mir lassend, die Kellertreppe hinauf. Zum Teufel mit allen grünen Türen dieser Welt !
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Autorin / Autor: Lone, 17 Jahre - Stand: 14. Mai 2010