Das Erbe

Einsendung zum Schreibwettbewerb "Eine angelehnte Tür" von Beltz & Gelberg und LizzyNet

Lilja Dearing, 21 Jahre alt, konnte es kaum fassen. Sie stieg aus ihrem Auto und betrachtete das riesige Anwesen vor ihren Augen. Sie hatte nicht mal mehr gewusst, dass ihre Großtante so etwas besitzt und nun hatte sie es auch noch geerbt. Sie schlug die Autotür ihres Vauxhall zu und lief über den Kiesweg zu der riesigen Villa hoch.
Moos rankte sich um die Fassade des Hauses, dass direkt vor einem Wald lag. Alles hier war grün und alt. Lilja schob sich die Sonnenbrille ins Haar und genoss die leichte Brise auf ihrer Haut.
Als sie vor der alten und verschnörkelten Tür des englischen Herrenhauses stehen blieb, holte sie den Schlüssel aus ihrer Handtasche.
Die Tür klemmte ein wenig, doch schließlich wurde sie eingelassen. Der Flur war mit einem dicken, roten Teppich ausgelegt und viele staubige Gemälde hingen an der Wand.
Lilja musste von all dem Staub husten. Hier hatte wohl schon lange keiner mehr geputzt. Während sie langsam durch den Flur ging und einige Räume inspizierte fragte sie sich zum wiederholten Mal, wieso ihre Großtante ihr ausgerechnet dieses Haus vererbt hatte.
Sie hatte sich schon immer gut mit ihrer Großtante verstanden, die eine Art Großmutterersatz gewesen ist, da ihre eigene bereits in ihrem 2. Lebensjahr gestorben ist. Doch Lilja wusste nicht, was sie nun mit diesem Haus anstellen sollte. Hier leben stand außer Frage.
Sie hatte eine schöne Wohnung direkt in der Stadt, in der ihr Freund und ihre Katze auf sie warteten.
Als sie das Wohnzimmer betrat, stockte ihr fast der Atem. Sie wollte sich gar nicht ausmalen, wie wertvoll dieser Besitz war. An der Decke hing ein verstaubter Kronleuchter, der direkt über einem kreisrunden Tisch angebracht war.
Ein Kamin ragte an der Wand auf und daneben war ein hoher Schrank mit Glastür aufgebaut.
Theoretisch gesehen konnte man hier sofort einziehen, dachte sie bei sich. Sie lief nun die Treppe hoch, die bei jedem ihre Schritte knarrte und kam ins obere Stockwerk. Nacheinander lief sie die Türen ab und machte eine nach der anderen auf.
Bad, Schlafzimmer, Arbeitszimmer. Alles komplett altmodisch eingerichtet. Als sie zur letzten Tür kam, bemerkte sie, dass diese angelehnt war.
Ein Streifen Licht fiel hindurch und sie beobachtete eine Weile die vielen Staubpartikel die sie in dem Licht erkennen konnte und die langsam zu Boden sanken.
Doch gerade, als sie die Tür aufstoßen wollte, hörte sie Schritte im Raum dahinter. Alles in ihr spannte sich an und sie unterdrückte ein entsetztes Keuchen.
In ihrem Kopf fragte sie sich, wer oder was da hinter dieser Tür umherlief.
Es musste ein Einbrecher sein, der Wertgegenstände mitgehen lassen wollte, denn hier gab es genug. Er musste durch irgendein Fenster eingestiegen sein oder hatte das Schloss geknackt. Immerhin hatte nur sie einen Schlüssel für dieses Haus.
Sie fragte sich, was sie tun sollte und beschloss einfach möglichst leise ihr Handy aus der Tasche zu fischen und Hilfe zu holen. Sie musste die Polizei anrufen. Sie ließ die Tasche von ihrem Arm gleiten und versuchte in all dem Gerümpel ihr Handy zu finden.
Wieso hatte sie nun auch das Make-Up, das Portemonnaie, den Hausschlüssel, die Taschentücher, das Deodorant und ihr Parfum Flakon unbedingt einpacken müssen?
Sie beugte sich weiter über die Tasche, als die Sonnenbrille ihr mit einem dumpfen Schlag vom Kopf fiel.
Lilja erstarrte, als die Schritte sich Richtung Tür bewegten. Was tun? Sie sah sich hektisch im Flur um und nahm den erstbesten Gegenstand in die Hand den sie fand. Einen Kerzenständer, der auf einem Sideboard stand.
Die Tür öffnete sich nun ganz und der Sonnenstrahl der durch den kleinen Spalt gedrungen war, wurde breiter und breiter.
Vor ihren Augen stand ein hochgewachsener, junger Mann. Er hatte dunkle Haut, schwarze Locken die sein Gesicht umrahmten und dunkle Augen. Er trug eine Jeans und ein weißes Hemd. Der erste Gedanke der Lilja durch den Kopf schoss war, dass Einbrecher doch meist schwarz trugen und einen Strumpf auf dem Kopf hatten.
„Darf ich fragen, was Sie hier tun?“, fragte der Mann mit einer tiefen Stimme und seltsamem Akzent. Lilja ließ den Kerzenständer ein wenig sinken, hielt ihn jedoch weiter mit beiden Händen umklammert.
„Das könnte ich Sie genauso gut fragen.“, antwortete sie verstimmt und versuchte ihren verräterischen Pulsschlag zu kontrollieren. „Immerhin bin ich die Erbin dieses Hauses und Sie haben hier nichts zu suchen.“
Der Mann verschränkte die Arme vor der Brust. „Meiner Großmutter gehörte dieses Haus. Und soweit ich weiß bin ich der Erbe. Und überhaupt, wer sind Sie?“
Lilja starrte ihn verblüfft an.
„Sie sind mein Großcousin?“, fragte sie schwach.
Der Mann legte nun den Kopf schief. „Wenn Ihre Großtante Diana Valentine heißt dann ja.“
Sie nickte lahm und starrte den Mann immer noch verblüfft an.
„Sie können den Kerzenständer ruhig aus der Hand legen.“, sagte er und Lilja tat beschämt was er gesagt hatte.
„Ich bin Lilja Dearing.“
Sie streckte ihm die Hand entgegen.
„Emilio Valentine Álvarez.“, antwortete er und nahm ihre Hand.
„Nun da wir uns beim Namen kennen, können wir uns doch ruhig duzen. Nicht wahr, Lilja?“
„Natürlich.“
Lilja war immer noch ein wenig verwirrt. „Du bist also der Sohn meines Onkels. Er ist doch schon einige Jahre vor meiner Geburt gestorben. Meine Mom hat mir nie von dir erzählt.“
Er lachte. „Meine Mutter stellte kurz nach seinem Tod fest, dass sie mit mir schwanger ist und kehrte nach Spanien zurück. Sie hielt jedoch Kontakt zu ihrer Schwiegermutter, da sie wollte, dass ich meine Großmutter kenne.“
Lilja verstand. Ihr dämmerte nun auch, warum ihre Großtante ihr das Haus vererbt hatte.
„Wie stets. Willst du eine Führung durchs Haus? Ich kenne mich hier schon sehr gut aus.“
„Ja. Gerne.“
„Wenn du willst, kann ich dir auch noch etwas über die spanische Kultur beibringen.“
Lilja grinste leicht. „Dann bringe ich dir die Englische noch etwas näher.“
Lilja grinste leicht. „Dann bringe ich dir die Englische noch etwas näher.“

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Autorin / Autor: Syddy, 14 Jahre - Stand: 14. Mai 2010