Herztür
Einsendung zum Schreibwettbewerb "Eine angelehnte Tür" von Beltz & Gelberg und LizzyNet
Wir sitzen draußen, zusammen auf meiner Terrasse. Der Tag ist grau und pixelig. Wie ein altes Foto, das man auf einem Dachboden findet und sich anguckt und dabei traurig wird. Oder wehmütig? Vielleicht still und verschlossen auf dem Bett, die kalten Knie eng an den Körper gezogen, weil Erinnerungen wehtun können, weil sie nur Erinnerungen sind.
Noch sind wir keine Erinnerung. Wir sitzen zusammen, nebeneinander. Mein Ellenbogen berührt deinen. Du hast kühle, raue Haut dort. Vielleicht auch ein bisschen gerötet. Ich habe mir deinen Ellenbogen noch nie genau angesehen. Aber er ist sicher schön. Weil du schön bist. Schön und grau wie der Tag. Die Luft schmeckt schwer nach Salz und Seeluft. Irgendwo hinter der Terrasse ist das Meer. Ich sehe ein, zwei Drachen durch den Himmel pflügen, die Wolkenbäuche aufreißen. Drei, vier Tropfen hocken sich auf meine Stirn. Mein Rücken ist klamm und ich spüre, wie sich mein Rückrat gegen die Haut drückt.
Etwas tröpfelt auf meinen Wangenknochen. Aber es ist kein Wasser, es ist dein Kuss und er fällt erneut auf mein Gesicht.
Du hast deine Tür geöffnet. Nur einen winzigen Spalt. Das tust du nur, wenn wir zusammen und alleine auf meiner Terrasse sitzen. Wenn wir die Meerluft im Haar haben.
Dein Kuss schmeckt nach Orangenlimonade, meiner nach trauriger Asche. Als ich dir den Kopf zudrehe, knackt meine drängende Wirbelsäule. Stumm sehe ich in deinen Augen diese angelehnte Tür. Deine Augen sind grau und pixelig, sie schmelzen und irisieren. Sie haben die Farben des Meers, irgendwo dahinten. Graublau, grüngrau, schaumig weiß wie die Gischt, ein winziger, roter Fleck – vielleicht ein Krebs? Oder ist da der schuppige Schwanz des Fisches, den du letztens tot am Strand gefunden hast? Deine Wimpern flattern im Wind wie zittrige Mottenflügel. Sie zwinkern mir zu, deine Augen. Sie spalten die Haut um deine Lider in aberwitzig viele Fältchen, wenn du lächelst, wenn du glücklich bist mit mir zusammen, dein Ellenbogen an meinem.
Auch dein Mund ist eine Tür. Sie steht offen, sie lässt Worte frei, sie krabbeln über deine geschwollene Zunge, über deine zersprungenen, glänzenden Glaslippen. Es sind liebe Worte - Liebesworte. Sie küssen und umgarnen mich, umarmen, liebkosen,… Ich lege meine Hand auf deine und zeichne die winzigen, jungen Fältchen auf deinen Fingern nach. Es sind schöne Fältchen. Wie die um deine Augen. Du siehst mich an und sagst mir etwas.
Deine Ohren sind Türen. Sie lassen meine Antwort hinein in dein Inneres, wenn ich zurücklächle und dir sage, dass ich glücklich bin. Zusammen mit dir, auf unserer Terrasse, vor uns das Meer und hinter deinen angelehnten Türen unser Herz.
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Autorin / Autor: Mondkind, 17 Jahre - Stand: 10. Juni 2010