Einsendung zum Schreibwettbewerb "Eine angelehnte Tür" von Beltz & Gelberg und LizzyNet
Mir gefiel, wie er neben mir saß, dicht neben mir. Zwischen Mona und mir, was mir nicht gefiel. Die Rückbank war eng. Ich beneidete Susie auf dem Beifahrersitz. Patrick tat mir Leid. Wer würde gern 12 Stunden lang Auto fahren?
Die Luft war stickig. Es roch nach Zigaretten, Schweiß und Freiheit. Fast berührten Jakobs Hände die Haut meines nackten Beins. Fast. Sein südländischer Teint bildete einen regelrechten Kontrast zu meinem hellblassen Oberschenkel. Wie Milch und Schokolade. Ich musste lächeln. Milch und Schokolade. Kinderschokolade, gestreifte Nutella. Heiße Schokolade. Heiße Schokolade fand ich gut. Meine Mundwinkel wanderten wortwörtlich bis über beide Ohren. Ich riss mich wieder aus den Gedanken, um Jakobs Nähe zu genießen. Mein Kopf lehnte an seiner Schulter, seine goldblonden Strähnen kitzelten meine Stirn. Ich konnte seinen Atem riechen, selbst den Duft des Zitronenbonbons auf seiner Zunge sog ich mit jedem Atemzug in mich hinein. Ich atmete tief und ruhig, in meinem Gesicht brannte die Sonne. Sanft fuhr der Fahrtwind durch mein Haar. Ich stellte mir vor, es wären Jakobs Finger. Warum spielte er nie mit offenen Karten? Ich wollte darüber nachdenken, doch meine Augen waren schwer wie Blei. Ich warf einen Blick auf das Navigationssystem. Noch 20 km bis Lido. Meine Augen fielen zu und ich fiel in einen traumlosen Schlaf. Die Fahrt zog sich wie Kaugummi, und raube uns jede Kraft.
“Sie haben ihr Ziel erreicht”, flüsterte eine tiefe Stimme direkt neben meinem Ohr. Ich lachte auf, blinzelte und schaute direkt in Jakobs moosgrüne Augen. Alles in mir kribbelte. “Ausgeschlafen, ihr zwei? Na los, das Gepäck wartet.” Ich warf einen Blick über die Schulter und verstand, wer noch gemeint war. Mona war auch gerade erst aufgewacht. Sie schüttelte ihre blonde Mähne. Ich beachtete sie nicht weiter und stieg aus. Trotz der Erschöpfung war die Stimmung locker. Das Meer gab die perfekte Kulisse und sein Rauschen den Soundtrack. Ich schloss die Augen und lauschte ihm, bis Jakobs Stimme ertönte. “Mona, deinen Koffer habe ich schon hoch gebracht.“ Ich schlug die Augen auf. Hatte ich mich verhört? Wieso hatte er ihre Sachen rein getragen?“ Er wandte sich zu mir. “Liz? Hier ist deiner.” Ich sollte mein Gepäck also selbst schleppen, sie ihres nicht? Die idyllische Gegend war mir plötzlich völlig egal. Ich verstand die Welt nicht mehr. Trotzig, wie ein kleines Kind, funkelte ich ihn an, schnappte den Koffer und stapfte ins Haus. Hinter mir hörte ich verwundertes Gemurmel, doch es war mir egal. “Stock zwei, Tür drei“, rief mir Patrick hinterher. Ich achtete weder auf die Einrichtung, noch packte ich irgendetwas aus. Ich schleuderte lediglich mein Zeug in die Ecke, legte mich aufs Bett und döste vor mich hin, bis mich das schrille Klingeln eines Handys aus den Träumen riss.
Ich streckte mich und setzte mich widerwillig auf. Als ich Mona auf dem Bett gegenüber erkannte, begann es in mir zu brodeln. Ich war noch immer sauer, nun sollte ich sogar ein Zimmer mit ihr teilen? Ich wollte es nicht glauben. Klar, ich war eifersüchtig - keine Frage, das gab ich gut und gerne zu. Doch trotzdem sollte sie gefälligst die Finger von Jakob lassen. Oder er seine von ihr. Wie auch immer. Als ich merkte, wie Besitz ergreifend und dramatisch ich mich benahm, beruhigte ich mich ein wenig und musste fast über mich selbst lachen. “Meine Güte, wie kannst du so lange schlafen?” Mona lackierte sich gerade die Zehnägel braungrün und sah mich aus dem Augenwinkel an. Ein Blick auf die Uhr verriet, dass ich tatsächlich sieben Stunden geschlafen hatte. “Also wenn du mich fragst, Jakob braucht keine Schlaftablette. Ein Blinder sieht ja, wie du ihn anhimmelst. Willst’ wissen wie das geht, das mit den Typen? Kannst viel von mir lernen, Kindchen.” Ich schnappte nach Luft und war urplötzlich wieder auf 180°. Was meinte sie, wer sie war? Das ließ ich nicht einfach auf mir sitzen. “Das geht dich einen Scheiß an! Und wenn du mich fragst, der Nagellack auf deinen Zehen ist genauso widerwärtig wie du. Aber du musst ja wissen, was Jakob gefällt”, blaffte ich zurück und ließ sie allein. Ich wollte zu ihm, doch hatte nicht die leiseste Ahnung wo er steckte. In diesem Stock war außer Mona und mir niemand. Dieses Haus war riesig. Es gehörte Patricks Eltern. Unglaublich, dass sie es uns diese Woche überließen. Ich stieg die Treppen hoch und hörte Susie reden, dann Jakob. Er klang sehr ernst. Worum ging es? War etwas passiert? Ein unbehagliches Gefühl verbreitete sich in mir. Auf Samtpfoten schlich ich den Gang entlang. Drei Türen waren geschlossen, eine angelehnt. Bingo! Von dort kamen die Stimmen, doch noch immer konnte ich nichts verstehen. Ich stellte mich direkt an die Tür. Es wäre schmerzhaft gewesen, wäre sie plötzlich geöffnet worden. Ich konzentrierte mich, um den Zusammenhang der Sätze zu verstehen. “Ich hab keine Ahnung, was ich machen soll” Das war Jakob. Dann Susie: “Du musst einfach herausfinden, wie ernst es ist und auch mal ein Risiko eingehen. Sonst wird das nichts” Was zum Teufel meinte sie? ”Ich denke immer, es ist nur ein Spiel. Ich bin ja genauso schüchtern. Und unsicher. Das vorhin war total daneben” Oh mein Gott, sie redeten über mich. Und den peinlichen Auftritt am Auto. Seit wann redete Jakob mit seinen Freunden über sein Liebesleben? Mir lief es vor Nervosität eiskalt den Rücken runter. Ich hatte noch nie jemanden belauscht. Fraglich, was aufregender war. Gleich zu erfahren, was Jakob wirklich dachte oder die Angst, erwischt zu werden. Ich fühlte mich wie Pudding. “Sie ist eifersüchtig. Zeig ihr, dass du Mona nicht willst” Weise Worte von Patrick. Stille. “Ich will Liz. Schon immer, trotz allem. Ich kann es nicht anders sagen.” Schmetterlinge flatterten in meiner Magengegend. Ich wollte schreien. Dann bekam ich Lust auf heiße Schokolade. Und auf Jakobs Lippen. Und ich würde es bekommen. Beides in einem. Hormonschübe durchfuhren mich. Und ich wusste endlich, was er wollte. Und er würde es bekommen, ausnahmslos. Mich.
Autorin / Autor: Tanja, 16 Jahre - Stand: 14. Juni 2010