Eine angelehnte Tür
Einsendung zum Schreibwettbewerb "Eine angelehnte Tür" von Beltz & Gelberg und LizzyNet
Amelie war noch einmal aufgestanden, um ein Glas Wasser zu trinken. Die Nacht war schwül und das Gewitter noch zu hören. Sie schlich sich heimlich in die Küche,um niemanden zu wecken. Als Amelie am Zimmer ihrer Eltern vorbeikam, hörte sie plötzlich Stimmen-die Tür war nur angelehnt. Ihr Vater sagte: "Wir können uns sie einfach nicht mehr leisten-uns bleibt wohl nichts anderes übrig, als sie zurückzugeben." Ihre Mutter antwortete: "Ja,aber sie ist wirklich wichtig für unsere Familie und wir haben doch so lange auf sie gewartet." "Du weißt selbst, wie wenig Geld wir haben, weil du deinen Job bei Brinkmanns verloren hast. Es nützt nichts, wir müssen sie zurückbringen." "Ja,dann muss es wohl so sein. Ich frage mich,was Amelie sagen wird." Amelie sagte nichts. Sie stand wie angewurzelt am Türrahmen,draußen im dunklen Flur und ein Schrecken fuhr ihr in die Knochen. Schnell rannte sie zurück in ihr Zimmer und zog sich die Decke über den Kopf. Was hatten ihre Eltern da gesagt? Samira sollte zurück nach Indien? Nur weil Mama ihren Job bei Brinkmanns verloren hatte? Amelie drückte ihr Gesicht ins Kissen.Samira war ihr doch so ans Herz gewachsen,auch wenn man ihr immer wieder die gleiche dumme Geschichte von Familie Bommel und den Bommelmützen vorlesen musste. Das gehörte mittlerweile schon dazu. Und das Lesen am Abend, das Lachen-immer über den gleichen Witz-das war für alle so normal geworden. Amelie wollte ihre Stiefschwester plötzlich nicht mehr hergeben. Am nächsten Morgen ging sie wie gewohnt zur Schule. Beim Frühstück hatte Amelie ihr extra zwei Tassen Kakao eingegossen,denn vielleicht war es das letzte gemeinsame Frühstück. In Indien gab es keinen Kakao zum Frühstück. Amelie ging zur Schule. Deutsch in der ersten Stunde, dann Mathe, dann... Amelie war da und war nicht da. Sie stellte sich Samira in Indien vor. Dort, wo sie und ihre Eltern sie vor fast einem Jahr in einem armen Waisenheim abgeholt hatten... Bis es schließlich kilngete-Schulschluss. Amelie machte sich auf den Weg zum Bus. Sie schluchzte: Wenn sie sich nur nicht so viel Blödsinn gekauft hätte, dann hätte das Geld vielleicht noch für ein paar weitere Monate mit Samira gereicht. Der Bus setzte sie ab. Ihre Mutter erwartete sie schon: "Amelie,bitte setz dich. Ich muss mit dir über etwas reden." Amelie ließ sich schweigsam auf dem Hocker nieder,mit dem Samira immer durch das Haus rutschte. Sie spielte gerade mit ihren Bauklötzen. "Wir haben doch diese wunderbare Heimkinoanlage gekauft, damit du und Samira eure Disneyfilme und Papa sein Fußball gucken kann. Wir können uns sie im Moment einfach nicht leisten. Aber vielleicht im nächsten Jahr wieder." Amelie schaute auf ihre Mutter und auf Samira. Vor Freude kamen ihr die Tränen: "Das macht doch nichts! Unser alter Fernseher ist doch eigentlich genial!"
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Autorin / Autor: Sophie, 12 Jahre - Stand: 15. Juni 2010