Der Retter

Wettbewerbsbeitrag von Sofie Ullrich, 17 Jahre

Es ist ein Tag wie jeder andere auch. Die morgendlichen und doch so seltenen Sonnenstrahlen werfen Licht in die Häuser dieses Ortes. Umzingelt ist der Ort von Wäldern, die Schatten werfen auf alles Lebende und alle Vorgänge in diesem Ort. Einen Namen hat er nicht. Er existiert einfach. Ob es noch mehr gibt? Ob es noch andere gibt? Lebt dort eine Person oder mehrere? Und wie kommt man rein? Oder wie kommt man raus?

Sie ist gerade wach geworden. Ihr Blick erfasst die übliche Umgebung, in welcher sie jeden Tag aufs Neue aufwacht. Nichts hat sich geändert. Nichts ist seinen eigenen Weg gegangen, um sich zu ändern. Alles ist gleich. Mit schweren und müden Schritten geht sie durch die Räume. Ihr Kopf ist leer. Gedanken, die die Flucht ergreifen konnten und Worte, die Flügel bekamen, um der vollkommenen Öffentlichkeit zu entschwinden. Jeden Tag das gleiche Ritual. Aber wann hat sie es erlernt? Plötzlich sitzt sie draußen. Wie sie da hingekommen ist? Ihre Füße sind die einzige Stütze, die einzige Krücke in ihrem Leben, die die Kraft irgendwo her noch schöpfen, um sie zu tragen. Existenz. Aber, ob das mit Leben zusammenhängt? Verschlossenheit.

Jeden Tag das gleiche. Ein Lebewesen für sich. Eine einzige Existenz ohne den Einfluss von außen. Allein.
Plötzlich. Leise Stimmen. Leise, die zu lauten werden. Es dauert Tage. Keine Beachtung. Sie werden lauter. Sie werden zu Worten. Zu Sätzen. Wer? Wo? Die Gedanken im Kurs zurück in den leeren Kopf. Aber wie soll sie damit umgehen? Sie müsste erst wieder erlernen zu denken. Ihr fehlt die Kraft. Der Mut. Die Überzeugung. Jemand.

Rechts. Links. Oben. Unten. Überall. Sie sind überall. Doch ohne Angst. Die Häufigkeit ist schon fast beruhigend. Einfühlsam. Wärme umschließt das Herz. Leben fließt. Kraft erfüllt die Glieder. Der Schmerz verfliegt. Hoffnung.
Sie rennt. Sie weiß nicht wie, aber sie spürt. Ihre Beine, ihre Krücken, ihre Stütze, sie tragen sie. Wie als wären ihr die Flügel gewachsen, die ihre Gedanken, Gefühle und Worte einst wegtrugen und schlussendlich den Schmerz mit sich nahmen.
Sie fällt. Sie weiß nicht wieso, aber sie spürt es. Die Kraft erfüllt sie erneut und sie streift die Wälder. Sie schwebt schon fast über sie hinüber. Hinein ins Licht. Das Licht, das ihr die Hand hinhält. Das Licht, das sie zum Lächeln bringt. Hoffnung erfüllt sie. Liebe strömt durch sie.
Sie liegt weich. Unter ihr ihr altes Ich. Schwebend es seinen Weg nimmt in die weite Ferne. Sie im hier und jetzt. Sie und der Retter. Sie und das Licht.
sie ist…. lebendig.

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Am 27. November 2022 fand die Lesung zum Schreibwettbewerb VERWANDELBAR statt, bei der fünf der Gewinner:innen ihre wunderbaren Texte präsentierten. Moderiert wurde die Lesung durch den Autor Manfred Theisen, der auch Mitglied der Jury war.

Autorin / Autor: Sofie Ullrich - Stand: Sommer 2022