So lange ich mich erinnern kann, gab es in meinem Leben immer Konrads wie den jetzigen in meinem Tanzkurs. Der Name Konrad ist hier exemplarisch gewählt. Kurz zum Konrad aus meinem Tanzkurs: Konrad ist groß, gut gebaut, äußerlich durchschnittlich, jedoch gleichzeitig gutaussehend. Er ist über 30, beruflich etablierter IT-ler und erwachsen. Er hat ein festes Einkommen und ein unheimlich gutes Rhythmusgefühl beim Tanzen. Seine Stimme ist nahezu monoton, seine Wortwahl gewählt. Obwohl er Migrationshintergrund hat, verhält er sich wie ein Deutscher, er kommt mit dem Fahrrad, geht sofort nach Kursende und lässt seinen leichten Akzent nicht sofort heraushängen. Konrad ist zehn Jahre älter als ich und das vermutlich sexieste an Konrad überhaupt ist, dass er so gar kein Interesse an mir zeigt. 0. Er könnte sich mit einer Wand angeregter unterhalten als mit mir. Auf meine Nachfrage, ob die Pizzeria neben uns gut sei bei unserem ersten und bisher letzten Gespräch, entgegnete er mir halbherzig „Google doch einfach!“ Ein charmanter Traumtyp eben.
Warum ist das so? Ich vermute, weil ich schon seit geraumer Zeit emotional nicht verfügbare Männer als unheimlich attraktiv und anziehend finde. Er erinnert mich an meine erste große Liebe in der 8. Klasse, der bis heute nicht weiß, dass ich auf ihn stand. Er erinnert mich an einen meiner letzten Expartner, der sich partout nicht auf eine ernsthafte Beziehung mit mir einlassen wollte und als ich ihm meine Liebe gestand, mich aufforderte sie zurückzunehmen. Er erinnert mich an den Partner danach, der mir verheimlichte, dass er sich im Scheidungsprozess befand, fundamental religiöse Ansichten vertrat, die er leicht untertrieb und dann aus heiterem Himmel mit mir Schluss machte. Er erinnert mich an eigentlich an jeden Typen, der es nicht so lange mit mir aushielt und mich aus heiterem Himmel verließ. Aber vor allem erinnert mich Konrad an meinen Vater. Daddy Issues, aber sowas von!
Ich dachte ich hätte meinen emotional kalten und abweisenden Vater verarbeitet, aber offensichtlich habe ich es nicht, wenn ich jetzt, wo ich wieder anfange zu daten, immer wieder auf ältere mal abweisende mal mit Kind oder in Trennung lebende Männer stoße. Das bedeutet nicht, dass ich keine normalen Männer, die Interesse an mir hätten, kennenlerne. Es bedeutet, dass ich mit ihnen keine Beziehung aufbauen kann. Denn einen Marvin, der mir immer schreibt, sich für mich interessiert, mich fragt wie mein Tag war, ohne schwierigen Familienhintergrund, der mich in meiner Lebensführung und Karrieresuche unterstützen und aufbauen würde, solche Typen fand ich immer langweilig. Ich mochte früher die, die mir weismachten, ich sei ein kleines Mädchen, das keine Ahnung hat, was es tut.
Ich fand die Sorte Marvins langweilig bis ich letztens von so einem Konrad gefickt wurde. Aufs Übelste gefickt in beiderlei Hinsicht. Manche bezeichnen mit einem in Scheidung lebenden Mann im Hotel zu schlafen, wobei der keinen richtig hochbekommt und sich einen Tag später dazu entscheidet dich zu verlassen, als Tiefpunkt, ich sehe es als einen Moment der Erleuchtung und Weckruf. Und doch findet mein Gehirn automatisch einen neuen Konrad.
Natürlich habe ich Probleme mit meinem Selbstwert und natürlich arbeite ich daran. Aber ganz ehrlich alleine die Tatsache, dass der unnahbare Konrad mit mir letztens einen freundlichen Blick ausgetauscht hat, um mich nachher für den Rest der Stunde zu ignorieren und mit seiner Tanzpartnerin zu quatschen, das gab mir schon eine Art von Kick zur Herausforderung.
Trotzdem habe ich Hoffnung.
Noch vor zwei Jahren hätte ich Konrad sofort auf Social Media gestalkt (ich hab ihn dort einfach nicht gefunden), es meinen engsten Freudinnen erzählt und mir ein Szenario überlegt, indem Konrad und ich zusammenziehen, heiraten, Kinder bekommen und ein gemeinsames Netflixkonto teilen, dicht gefolgt von süßen Jahrestagsbildern auf Instagram. Aber ich bin schlauer. Ich kann es mittlerweile zugeben, ich kann mich innerlich teilweise stoppen, so zu denken und vielleicht habe ich irgendwann nochmal den Mut, Konrad anzusprechen. Wobei ich mich frage, was das großartig bringen soll, da er offensichtlich kein Interesse hat. Ich wüsste nicht mal, ob es sinnvoll wäre, unseren wirklich hübschen Kindern noch weitere Daddy Issues mitzugeben.
Ich wünsche, ich hoffe und ich weiß, dass wir Frauen keinen Mann zu erobern brauchen. Wir haben es nicht nötig, so viel Zeit und Energie in die Konrads in unserem Leben zu investieren, weil wir Angst haben, Marvins zu nah an uns selbst heranzulassen. Aber sind wir es uns nicht schuldig, es zu probieren? Ich bin mir sicher, Konrads kommen und gehen, aber es sollte doch in der Theorie auch jemand kommen, mit dem es einfach ohne irgendwelche Vorbelastungen sein kann. Jemand, der uns gefällt unsere psychologischen Muster durchbricht, sodass wir erstmal ins Wanken geraten und dann verstehen, wie falsch unsere Art der Beziehungsführung doch war.
So lange ich mich erinnern kann, gab es Konrads in meinem Leben, mittlerweile wird Raum geschaffen für eine neue Sorte… den Namen überleg ich mir noch…