Mir wurde oft gesagt, "die Welt ist nicht einfach nur Schwarz oder Weiß. Es gäbe Aberhunderte von Graustufen dazwischen und dann wäre da noch das Bunte, das sich aus den Primärfarben Rot, Blau und Gelb ergebe, und die Erdkugel, auf der wir wandeln, in tausenden Regenbogenfarbenden Lichtern erstrahlen lassen würde." Doch auf der anderen Seite existieren nur Licht und Schatten - es gibt nichts dazwischen. Genau diese beiden Metaphern benutze ich, um meine Gefühle zu beschreiben.
Natürlich sind meine Emotionen nicht nur Schwarz-weiß, sondern vielfältig Grau und manchmal vermischen sich gar meine Primärfarben und ergeben ein buntes Bündel an gemischten Empfindungen, die nicht leicht zuzuordnen sind. Doch ebenso fällt auf all diese Farben entweder Licht oder aber ein Schatten.
Zuvor trafen die Sonnenstrahlen noch gemütlich warm auf meine Haut und im nächsten Moment trete ich ungewollt in den Schatten oder mir wird ein Gegenstand vor die Sonne gehalten. In den meisten Fällen - zumindest bei mir -, stört dieser in mein Sichtfeld geschobene Gegenstand. Er ist voller negativer Gedanken und Gefühle; Kritik, Vorwürfe, Ärger, Sorge, Angst, Probleme, Zweifel, Hass.
Vor dir liegt ein gewaltig langer Weg, den nur du allein beschreiten kannst. Allerdings begegnest du Menschen auf deiner Route, die ein wenig mit dir laufen - sie können für dich nicht das Gehen übernehmen, dich jedoch in eine tiefe Unterhaltung verwickeln oder dir eine Flasche Wasser reichen, um dir das Weitergehen ein wenig zu erleichtern. Die Menschen an deiner Seite sind nicht immer nett, haben nicht immer gute Absichten oder nehmen Rücksicht. Es wird der Augenblick kommen, in dem dir eine Person ungewollt einen Sonnenschirm aufspannt. Sie macht dir Vorwürfe, du fühlst dich unverstanden und du verlangsamst deine Schritte. Mit der Zeit verwittert der Schirm und nach und nach scheint das Licht wieder auf dein Gesicht, du kommst zur Besinnung und reißt den Schirm von dir - eventuell lässt du die Person an einer Gabelung zurück, ohne zu wissen, ob sich eure Wege noch einmal kreuzen. Dieser Abschied kann sowohl befreiend, als auch vernichtend sein und je nach dem folgst du dem sonnengeflutetem Feldweg oder der finsteren Seitenstraße weiter. Deine nächste Begleitung, die mit dir den Weg entlang geht, sorgt sich um dein Wohl und spendet dir Schatten. Doch zeitgleich machst du dir deswegen Vorwürfe, kritisierst dich und Schuldgefühle legen sich mitsamt des kühlenden Schatten über dich. Du möchtest niemanden deiner Freunde oder Familie belasten, nerven, sorgen, enttäuschen oder verärgern. Der helfende Gegenstand wird zur Last und lässt dich unwohl fühlen. Du ziehst dich von deiner Begleitung zurück - den Rest des Weges würdest du schon alleine gehen können, es wäre nicht mehr weit. Ohne Widerworte zuzulassen wendest du dich ab und rennst ein Stück weiter den Weg entlang. Du drehst dich zurück zu den besorgt-skeptischen Gesichtern, wirfst die vernarbten Arme auf den Rücken und grinst breit. "Siehst du?", strahlst du stolz über den Fortschritt und entfernst dich weiter von deinen Vertrauten.
Du läufst weiter durch den dichten Wald, der kein Sonnenlicht zu dir durchdringen lässt - die Farben, egal ob warme oder kalte, verdunkeln sich durch die Schatten der Bäume und die Welt erscheint dir nicht mehr so farbenfroh wie noch zuvor im Freien. Hoffnungslosigkeit umklammert dein schmerzendes Herz, denn der Wald nimmt kein Ende und du weißt weder, ob du den Ausgang finden kannst, noch ob du überhaupt noch in die richtige Richtung gehst oder doch nur die ganze Zeit im Kreis läufst. Die Bäume, die Situationen, sehen sich so verdammt ähnlich und wiederholen sich stets. Deine Motivation, überhaupt noch weiter zu gehen, wird immer weniger. Du steckst dir Kopfhörer in die Ohren, schaltest seit langem mal wieder den alten Walkman in deiner Tasche ein und lauschst den Worten deiner liebsten Künstler.
Musik hat dir manch ein Mal vielleicht sogar geholfen, dich zu orientieren oder dich besser zu fühlen, doch dieses Mal klingt jedes Lied hoffnungslos traurig. Du spürst, wie dir die Lust vergeht, den schnellen und gute Laune bringenden Klängen zu hören und wählst deprimierende, zu deiner Empfindung passende Musik aus, die dich schließlich langsamer werden lässt. Leere, Hoffnungslosigkeit, Zweifel, Ängste und Einsamkeit übermannen dich, dass du dich schließlich einfach auf einen Stumpf setzt und demotiviert, verbittert und leer vor dich hin starrst. Es ist schwer, sich nun wieder aufzuraffen und dich zu zwingen diesen beschissenen Weg, der dich nur enttäuscht, der nur steiniger zu werden scheint und dich immer in die nächste deprimierende Umgebung wirft, weiter zu gehen.
Die Farben wirken blass und trostlos, dunkel und verschmutzt - deine Gefühle fühlen sich eventuell gar falsch oder unecht an, doch du starrst einfach weiter zu den Bäumen auf. Die Musik unterstreicht sarkastisch, wie scheiße du dich gerade fühlst und du lachst spöttisch mit Tränen in den Augen auf. Das Lachen hört nicht auf, wird jedoch immer verzweifelter und deine Augenbrauen ziehen sich gequält zusammen, während deine Sich vor Tränen verschwimmt. Du presst deine Handballen fluchend auf die feuchten Augen, während sich dein Lachen wandelt und du beginnst zu schluchzen. Deine Brust wird schwer, deine Kehle schnürt sich zu und der gewaltige Schmerz in deiner Brust, lässt das Verlangen aufkommen, zu schreien. Dieser unerträgliche, seelische Schmerz, der nicht mildert und dich beginnt zu verzehren. All deine Ängste, Sorgen, die Schmerzen, deine unterdrückten Emotionen - Alles - lässt du raus und schreist es Richtung Himmel. Du jammerst, schreist, redest dir alles von der Seele, ohne das deine Worte bei Jemandem ankommen und gehört werden. Manchmal fühlst du dich tatsächlich befreit und es reicht, um mit geröteten Augen und einem letzten Schniefen weiter zu gehen. Doch bei mir reicht es nicht. Es befreit mich nicht - ich denke: "Ich will einfach nicht mehr." Dann erinnere ich mich irgendwann an meinen Weg. Meine Augen weiten sich immer mehr und erneut füllen sie sich mit der salzigen Flüssigkeit. Ich erinnere mich an den Berg, an dem ich ewig klettern musste und sozusagen auf der Stelle stand - ihn jedoch überwunden habe. Ich erinnere mich an die wunderschöne Blumenwiese auf der ich mit meinen Freunden entlang gegangen bin und an den weiten Ozean, an dessen strahlendweißen Strand ich entlang gegangen bin. Natürlich war ich in verschmutzen Gassen gewesen, in engen und verschachtelten Höhlen und auch jetzt bin ich in diesem hoffnungslos erscheinenden Wald... Doch vor und hinter diesen trostlosen Orten, habe ich wunderschöne Orte gesehen, wunderbare Erinnerungen gesammelt, unglaubliche Menschen kennen gelernt. Ich richte mich langsam vom Boden auf und setzte mich sprachlos zurück auf den Stumpf. Ich habe mich so sehr auf den endlos erscheinenden Wald konzentriert, dass ich vergaß, was ich bereits alles überwunden hatte. Langsam mache ich wieder Schritte nach vorn.