Alte Zeiten

Wettbewerbsbeitrag von Sarah Swietek, 16 Jahre

Gefangen in meinen 4 Wänden. Nein. Kein Raum. Ich denke zu viel an ihn. Er ist unerreichbar. Wie lange ist es her? Ich sehe ihn immer noch in Träumen. Nur noch in Träumen. Auf meinem Handy 21 Tausend Bilder, doch nur 2 von ihm. Ich sollte sie löschen. Für immer löschen. Doch jedes mal wenn ich mich überwinde, rufe ich sie wieder zurück. Das ist doch verrückt. Ich werde ihn nie wieder sehen, nicht so, wie ich es möchte. Nur ein Gedanke an ihn und meine Hände weinen. Diese Gefühle für ihn sind verboten.

Er bietet mir Lakritz an. Ich mag kein Lakritz. Ich hasse Lakritz. Doch der Moment, wenn unsere Hände sich berühren, ist unbezahlbar. Es ist der einzige Körperkontakt zwischen uns. Also nehme ich es an und esse, mit einem Lächeln.
Wir wohnen zusammen. Naja, er sieht mich vermutlich wie eine Art Tochter. Genau das Gegenteil, wie ich ihn sehe. Wir haben eine gute Bindung zueinander, ich will es nicht zerstören. Aber ich will ihn. Ich will ihn an meiner Seite. Heute ist es unmöglich, aber vielleicht in ein paar Jahren?


Ja... Alte Zeiten. Ich denke oft daran. Oft in Träumen. Nie bewusst. Es ist sinnlos darüber nachzudenken. Ich will ihn immer noch. Es ist schon paar Jahre her. Wahrscheinlich hat er mich schon vergessen. Ich glaube, ich kenne ihn nicht sehr gut, trotzdem würde ich alles für ihn tun. Ich bin besessen. Wahrscheinlich weil er der einzige Mann war, bei dem ich mich verstanden gefühlt habe. Es scheint so, als wäre ich in Treibsand. Ich komme aus der Situation nicht mehr raus. Jemand muss mich rausziehen. Raus ziehen aus den Gedanken von ihm.

Wir sitzen zusammen im Wohnzimmer und gucken Fernsehen. 3 Meter voneinander entfernt. Ich denke daran, wie es wohl wäre, genau neben ihm zu liegen. Ich weiß aber, dass der Gedanke nicht richtig ist.

Ich darf nicht mehr über die alten Zeiten nachdenken..

Ich bin zuhause angekommen. Ich bin gut angetrunken. Er ist zuhause. Es freut mich und ich mache Witze mit ihm. Er merkt, dass ich nicht nüchtern bin, jedoch fragt er mich, ob ich was genommen habe, leuchtet mich dann mit einer Taschenlampe an. Echt süß, ein Lächeln kann ich nicht zurückhalten. Als ob ich was nehmen würde. Naja, vielleicht sieht er mich doch nicht als Kind. Der Gedanke bringt mir Freude. Aber eigentlich darf ich nicht so denken.

Nein, nein, er wollte nie etwas von mir. Ich hab mir das nur eingebildet. Ich war einfach ein Kind.. Ein Kind, das keine Aufmerksamkeit bekam. Ich versuche, den Gedanken zu unterdrücken, dass ich bis heute in ihn verschossen bin. Vielleicht bilde ich es mir nur ein. Ja. Das kann doch nicht sein.

Wir joggen zusammen im Wald. Naja, nicht alleine. Es sind noch ein paar andere Leute dabei. Ich jogge die ganze Zeit neben ihm. Er riecht gut. Er sieht gut aus. Sogar verschwitzt sieht er heiß aus. Unsere Blicke treffen sich manchmal. Will er mich? Ich will ihn. Doch der Gedanke ist nicht richtig.

Wahrscheinlich hat er mich damals nur angeguckt, weil ich verschwitzt und außer Atem war.

Wir unterhalten uns über Filme. Er sagt, dass “Shutter Island” ein guter Film ist. Auch sagt er aber, dass es sein kann, dass ich den Film nicht verstehen werde. Bitte was? Er sieht mich also als Kind.
Als ich noch am selben Abend den Film geguckt habe, habe ich mich direkt mit ihm darüber unterhalten. Ja. Ich habe den Film verstanden. Das merkt er auch. Wir reden über die verschiedenen Optionen, wie das Ende vom Film sein könnte, und ich fühle mich intelligent. Er ist intelligent. Ob er das gleiche von mir denkt? Wohl kaum. Aber was, wenn doch? Naja, es wird wohl nichts an unserer Beziehung zueinander ändern.


Alte Zeiten... Es ist wohl Zeit, es zu vergessen. Für ihn war das bestimmt unwichtig.

”Du ziehst jetzt also aus", sagt er zu mir. Ja. Das könnte mich zum Weinen bringen. Hier sind so viele nervige Kinder. Aber nur für ihn, nur für ihn würde ich hier bleiben. Aber das ist wohl nicht möglich. Ich werde ihn bestimmt schnell vergessen.

Ja... Wie viele Jahre ist es wohl her? Schnell vergessen ist wohl was anderes. Ich gehe nach draußen, um an die frische Luft zu gelangen.
Da sehe ich ihn wieder. Er. Er mit... Mit einer Frau. Seine Frau. Mir kommen die Tränen. Aber nein. Sie verschwinden wieder. Plötzlich merke ich, dass das alles Unsinn wahr. Ich freute mich für ihn. Ja. Es waren doch nur alte Zeiten. Alte Zeiten, wo die Gedanken nur meinerseits waren.

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Am 27. November 2022 fand die Lesung zum Schreibwettbewerb VERWANDELBAR statt, bei der fünf der Gewinner:innen ihre wunderbaren Texte präsentierten. Moderiert wurde die Lesung durch den Autor Manfred Theisen, der auch Mitglied der Jury war.

Autorin / Autor: Sarah Swietek, 16 Jahre