Sciamachy

Wettbewerbsbeitrag von Julia N., 19 Jahre

Substantiv, (Griechisch)
Ein Gefecht gegen imaginäre Feinde; ein Kampf gegen den eigenen Schatten


Die Dämonen in meinem Kopf sind wie pechschwarze Kreaturen mit Wurzeln an den Füßen. Ihre Wurzeln schlingen sich tief in die Erde des tiefen dunklen Walds meines Unterbewusstseins und um mein gesamtes Wesen. Sie sind wie Parasiten, die ich nicht loswerde, egal wie sehr ich gegen sie kämpfe. Schon seit Jahren begleiten sie mich. Schon seit Jahren erfüllen sie mich mit lähmender Angst. So lange will ich einfach nur, dass sie mich endlich in Ruhe lassen.
Ich habe sie dort nie eingepflanzt. Vor vielen Jahren hat jemand die Erde dieses Waldes mit giftigen Samen bestäubt. Später ging diese grauenerregende Saat auf und daraus wuchsen sie; meine Dämonen. Sie haben Wurzeln geschlagen. Manchmal schlafen sie. Aber manchmal erheben sie ihre monströsen dunklen Gestalten und ich stehe in ihren schwarzen Schatten und blicke versteinert zu ihnen auf.
Aus ihren Mündern trieft ätzendes Gift, das auf mich nieder tropft. Sie verätzen meine Haut. Ich kneife meine Augen zu, weil ihr Anblick mir höllische Angst macht. Ich reiße mich los und kehre um. Einfach nur wegrennen. Stolpere über dornige Büsche und spitze Steine, streife giftiges Efeu, rutsche über feuchten Schlamm, winde mich um knarrende Äste und dicke Baumstämme. Wunden und Kratzstellen zeichnen sich an meiner Haut ab.
Sie flüstern mir beklemmende Worte zu und ich drücke meine Hände auf die Ohren, um sie nicht hören zu müssen. Obwohl mir alle Puste ausgeht und ich nach Atem ringe, muss ich weiter rennen. Doch egal, wie weit ich von ihnen wegrenne, die Distanz zwischen meinen Dämonen und mir wird nicht geringer. Ihr Geflüster wird zum Geschrei. Ihre Gestalten werden größer, je weiter ich wegrenne. Ihre Schatten reichen, bis das Auge blicken kann.
Wegrennen wird zur Qual. Quälender als stehen zu bleiben.
Und dann erkenne ich, wie sinnlos es ist, von ihnen zu flüchten, weil sie nicht verschwinden würden, egal wie viel ich auch rennen mag.
Ich stolpere zu Boden und blicke auf meine blutigen Wunden. Ich zittere und winde mich.
So stehe ich auf und drehe mich um und blicke den Dämonen in die Augen, nehme mir die Hände von den Ohren. Aufrecht, mit erhobenem Kopf und geballten Fäusten. Ich beiße meine Zähne zusammen und zwinge mich, den Blick nicht wieder abzuwenden.
Ich starre sie an.
Ich höre ihre Worte.
Aber ich lasse sie reden.
Denn wenn ich näher hinhöre, sind ihre Worte bloß konfuses zusammenhangloses Gerede.
Ihre Gestalten wirken nicht mehr so mächtig.
Und irgendwann macht ihr Anblick mir auch keine Angst mehr.
Wenn ich sie nicht loswerden kann, werde ich nicht versuchen, es zu tun. Ihre Wurzeln sitzen zu tief in der Erde fest.
Ich will nicht mehr von ihnen wegrennen. Ich will nicht mehr in Angst leben. Ich will leben. Will ihren Worten keine Bedeutung schenken. Mache ihr Gift zu Wasser. Sie ernähren sich von meiner Angst. Wenn ich ihnen keine Nahrung mehr gebe, werden sie schrumpfen. Sie werden lächerlich unbedeutend werden. Ich werde mich nicht mehr vor Angst verkrümmen. Ich werde mich ihnen stellen. Und ich weiß, wie quälend ihr Anblick sein wird, bis er mir wirklich keine Furcht mehr einjagt. Aber ich werde standhaft sein. Bald schon werden sie mir nichts mehr ausmachen.
Auch wenn ihre Wurzeln sich um mich schlingen, werde ich mich nicht mehr von ihnen zerren lassen. Nein, ich werde sie in die Hand nehmen und die Dämonen zu meinen Hündchen erziehen, die an meiner Leine hängen



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Am 27. November 2022 fand die Lesung zum Schreibwettbewerb VERWANDELBAR statt, bei der fünf der Gewinner:innen ihre wunderbaren Texte präsentierten. Moderiert wurde die Lesung durch den Autor Manfred Theisen, der auch Mitglied der Jury war.

Autorin / Autor: Julia N., 19 Jahre