Kunst

Wettbewerbsbeitrag von E.V.A.N., 13 Jahre

"Fertig" sage ich, als ich das letzte Bisschen zu meinem Bild hinzufüge. Mein Freund starrt seine Hand, auf dem ich ihm eine Rose gemalt habe, die sich in den Kopf eines Babys einbohrt, grinsend an. Dann fragt er: “Was soll das denn sein?” Die Zeichnung ist falsch rum für ihn, da er gegenüber von mir sitzt, aber ich weiß nicht, ob das Bild auch andersrum Sinn gemacht hätte. “Ich hab ne idee,” sagt ein anderer Freund und kritzelt mit seinem Kuli drauf los. Ich hebe auch meinen Kuli und denk mir grinsend, als ich mit meinem nächstem Gekritzel anfange, dass ich jetzt professioneller Tattoo Artist bin.

Als es endlich klingelt, sieht seine Hand aus wie eine Graffiti besprühte Wand, nur dass es generell Bilder anstatt Wörter sind. Als ich nach der Schule in die U-Bahn steige, merke ich das gleiche Graffiti an den Wänden des Zuges. Bei manchen sind die Linien dick und man kann sich genau vorstellen, wie das aus der Sprühdose kam, andere sind dünner und sehen so aus, als wurden sie mit einem übergroßen Textmarker geschrieben. Ich sehe von meinem Handy hoch und probiere die Wörter zu entziffern. “Babol” steht bei einem, glaube ich zumindest, sie sind schwer zu verstehen, “Mool” bein nem anderen, ich frage mich, ob der oder die Erschaffer:in dieser “Kunst” sich dabei etwas gedacht hat. Wahrscheinlich nicht. “Nächste Station: blablabla Platz” ertönt es von den Lautsprechern. Zisch, die Türen gehen auf, ich steige aus und begebe mich nach draußen. Ich nehme tief Luft, dann merke ich aber, dass jemand vor mir gerade raucht und probiere hastig wieder auszuatmen. Hustend schaue ich nach der Ampel, die mich auf die richtige Straßenseite bringen soll und bemerke noch mehr Graffiti, diesmal an den Wänden eines Hauses. Manchmal, denke ich mir, als die Ampel auf grün schaltet und ich die Straße überquere, manchmal sieht man solche riesigen Graffitis an den Seiten von Häusern. Manchmal fragt man sich, wie zur Hölle es irgendjemand geschafft hat, da hochzukommen, nur um so etwas kleines, dummes draufszuprühen, aber manchmal sind sie auch anders. Bei solchen bemerkt man sofort, dass wer immer das gemacht hat, dafür bezahlt wurde, so gut ist das Bild. Solche können immer ganz unterschiedlich sein, und der Stil des Künstlers variiert oft. Ehrlicherweise weiß ich nichts wirklich darüber, wie das gemacht wurde oder wie lange es braucht, um so etwas zu machen. Ich gucke sie mir einfach an. Wer weiß, vielleicht erschaffe ich eines Tages auch so ein Kunstwerk. Oder ich besprühe nur irgendeine Wand in irgendeinem Viertel, nur weil irgendwelche Leute, die sich meine Freunde nennen, mich dazu ermutigen. In beiden Fällen ist es theoretisch Kunst, aber ob man es wirklich so nennen kann, das ist eine andere Frage.

Alle Infos zum Wettbewerb

Die Verwandelbar Sieger:innenehrung

Herzlichen Glückwunsch an die Preisträger:innen!

Teilnahmebedingungen und Datenschutzerklärung

Bitte lesen!

Die Verwandelbar-Jury

Die Jury verwandelt eure Einreichungen zum Schreibwettbewerb in wohlwollende Urteile :-)

Preise

Das gibt es im Schreibwettbewerb "Verwandelbar" zu gewinnen

Einsendungen

Die Beiträge zum Schreibwettbewerb Verwandelbar

Verwandelbar - Die Lesung

Am 27. November 2022 fand die Lesung zum Schreibwettbewerb VERWANDELBAR statt, bei der fünf der Gewinner:innen ihre wunderbaren Texte präsentierten. Moderiert wurde die Lesung durch den Autor Manfred Theisen, der auch Mitglied der Jury war.