Berlin, 24.02.2022:
Oh welch Grauen heute über die Welt herzieht, welch Grauen Gott uns aussetzt – sag - warum tut er nichts - warum rettet er uns nicht - es ist aussichtslos!
Es übersteigt alles, alles was ich je gefühlt haben mag. Ich fühle so viel und gleichzeitig gar nichts - ich fühle - nein- was soll ich bloß denken - was passiert hier?! Was nur - was nun - was will er von uns - was tun sie - warum - wieso- welch Tragödie, welch Schreckensbilder, die uns heute Morgen und den Tag über ereilen: Graue Panzer mit weißem Z auf einer Wiese voller Sonnenblumen. Sonnenblumen, stolz und kräftig, tief verwurzelt, jetzt erniedrigt und massakriert, entwurzelt – ein einziges Schlachtfeld offenbart sich am Horizont.
Was macht das nur mit uns? Wie wird es weitergehen? Wer tut so twas? Ja – ich weiß es, ich bin sicher! Der Satan muss es sein - er will sie vernichten - er will uns vernichten – er will zu alter Größe auferstehen und sie, sie sehen tatenlos zu.
Wie ist es nur dort drüben? Grau? Hell? Schreie? Rote Pfützen? Laute Totenstille? Angst? Leben oder Tod? Alt werden oder jung sterben? Tapferkeit oder Feigheit? Was spielt sich wohl in ihren Köpfen, ihrer Seele, ihrem Herzen ab?
Oh weh! Oh weh! Oh weh!
Alles gerät aus den Fugen, nichts ist mehr wie es war- der Teufel hat die Überhand erlangt - über mich - über dich - über uns - über jeden. Er macht keinen Halt, ja das wird der desaströse Untergang, von dem seit Wochen alle Welt spricht, wenn nicht heute, dann schon morgen oder übermorgen - und die Zeit sie hört nicht auf - und mein Herz, es blutet - und meine Seele, sie leidet. Sie leidet mit allen, die am heutigen Tage dort sind und diesen Schrecken miterleben müssen - dieses Leid - das Wetter - es ist schlecht - die sonst so frische Luft nach dem Regen, sie riecht verfault - sie ist verfault! Ja - es ist sicher - so sicher wie noch nie - es gibt Tage, da ändert sich alles und einer dieser Tage ist heute.
Heilige Mutter Maria, Gott im Himmel, erhört uns - rettet uns! Schickt uns einen Engel des Friedens, denn den brauchen wir - das Licht, wir brauchen es, um zu überleben in diesen dunklen Zeiten! Denn der Tod ist nah, man kann ihn riechen über die Grenzen hinweg, rieche ich ihn, spüre ich ihn, fühle ich ihn.
Oh bitte Gott, erhöre uns, beende dieses Grauen! Der lange Sommer ist vorbei, der Winter naht und sie müssen fliehen, vor dem heißen, roten Licht, dass sie umbringen wird!
Und dan- plötzlich - der Dunkelheit entschlüpfend - ein Straßenmusiker, gehüllt in eine gelbe Weste, ergreift meinen Arm, sieht in mein kummervolles Gesicht. Er spricht beruhigend zu mir, erklärt mir, meinen emotionalen, von Angst geleiteten Verstand, nicht die schwere Last meines Herzens tragen zu lassen, wenn ich doch eh nicht den ganzen Weltschmerz wegpusten könnte. Dann zum ersten Mal an diesem Tage, klart sich meine Sicht auf, ich bedanke mich leise, noch immer benebelt von dieser befreienden Ansprache, bekomme von dieser eindrucksvollen Gestalt, im Februar, eine duftende Sonnenblume geschenkt. Verabschiede mich von ihr.
Meine Sinne sind wie neu geboren, ich laufe los, die Hauptstraße hinunter, umringt von Regentropfen, die den verschmutzen Boden zum Glitzern bringen und Hoffnung an den Bordstein spülen, im Rückenwind trällert der galante, weise junge Mann in gelber Weste, umzingelt von glücklichen Kindern und einer lachenden Dame, „Heal the World“ von Michael Jackson. Diese Eindrücke begleiten mich auf meinem hoffnungsvollen Weg und ich schöpfe frischen Lebensmut, denn auch wenn der Krieg in der Ukraine den Alltag beherrscht, regiert in Deutschland der Frieden. In diesem Moment besitze ich endlich die Kraft, um eines Tages wieder in einer besseren, friedlichen Welt leben zu können. Einer Welt voller langer Sommer.