Julia Atze ist Pastorin in der Ausbildung. Außerdem hat sie eine Dauerkarte für den FC St.Pauli, einen Sohn und einen Mann.
*Wie bist du auf die Idee gekommen Pastorin zu werden?*
Das hat sich so langsam entwickelt. Mir hat mein Konfirmandenunterricht sehr gut gefallen, das war meine erste Begegnung mit Kirche. Ich hatte einen sehr netten und engagierten Pastor, der den Konfirmandenunterricht interessant und abwechslungsreich gestaltet hat. Ab dem Zeitpunkt habe ich mich für die Bibel und den christlichen Glauben interessiert, war in meiner Kirchengemeinde aktiv (Jugendgruppe, Theater AG, Kindergottesdienstmitarbeit) und habe in der Schule Religion als Unterrichtsfach gewählt. Irgendwann während der Oberstufe habe ich dann auch überlegt, Theologie zu studieren. Mit meinem Religionskurs in der 12. Klasse war ich eine Woche auf Projektreise in einem Benediktinerkloster. Dort habe ich mich mit einem der Mönche über meine Pläne, Theologie zu studieren unterhalten und ihm erzählt, dass ich unsicher bin, ob ich es wirklich machen soll. Er sagte: "Versuch es unbedingt! Fang an Theologie zu studieren! Wenn es nicht das Richtige ist, merkst du es schnell. Dann hörst du halt wieder auf. Aber vielleicht ist es ja das Richtige, die Chance solltest du nicht verpassen!" Das hat mich überzeugt. Also habe ich angefangen, Theologie zu studieren und bin dabei geblieben.
*Was waren die größten Steine auf deinem Weg?*
Am Anfang der Widerstand vieler Menschen um mich herum, meine Eltern, Lehrer, Freunde. Einige konnten einfach nicht nachvollziehen, warum man Pastorin werden und Theologie studieren will. Aber die meisten haben ziemlich schnell gemerkt, dass es mir ernst ist und haben es dann akzeptiert.
*Welche Rolle spielt für dich Glauben bei deiner Arbeit? Ist das eine
absolute Voraussetzung, um diesen Beruf zu ergreifen oder fühlst du dich eher als eine Art Sozialarbeiterin...*
Ich finde, dass Glauben für diesen Beruf eine absolute Voraussetzung ist. Schließlich muss ich sonntags im Gottesdienst über einen Text aus der Bibel predigen, christliche Bestattungen, Taufen, Trauungen und Konfirmationen machen, Menschen seelsorgerlich beistehen. Dabei spielt mein Glaube für mich eine wichtige Rolle. Wenn ich nicht an Gott glauben würde, könnte ich auch nicht Gottesdienste halten, taufen, Beerdigungen halten. Trotzdem ist die Arbeit oft auch Sozialarbeit - aber mit christlicher Basis.
*Was bedeutet für dich Glauben? Ist das blindes Vertrauen? Mühsames Erarbeiten? Oder was sonst?*
Für mich ist Glauben sehr unterschiedlich, ich glaube nicht jeden Tag gleich. Je nachdem, wie es mir geht und was ich erlebe, verändert sich auch mein Glauben. Manchmal bin ich voller Vertrauen in Gott, manchmal zweifle ich an ihm. Für mich bedeutet Glaube Vertrauen in Gott und Vertrauen in das Leben. Gott liebt uns - so wie wir sind, mit all unseren Problemen und Ängsten und Zweifeln. Darum sollen und können wir uns auch lieben und unser Leben leben.
*Was gibt dir der Glaube? Was glaubst du, kann er jungen Menschen geben?*
Mir gibt mein Glaube Halt und Sinn in meinem Leben. Ich glaube an Gott, ich glaube, dass er diese Welt erschaffen hat (was sich in meinen Augen nicht mit naturwissenschaftlichen Theorien widersprechen muss), und dass er uns so geschaffen hat und so gewollt hat, wie wir sind. So kann ich mich auch selbst so annehmen wie ich bin, mit meinen guten und schlechten Seiten. Das finde ich ist etwas, was auch jungen Menschen etwas geben kann, die Vorstellung, dass Gott uns so akzeptiert wie wir sind, ohne wenn und aber.
*Ist für dich Glauben unbedingt an die Institution Kirche gebunden?*
Nein, Glaube an sich muss nicht zwangsläufig an Kirche gebunden sein. Für mich persönlich allerdings ist Kirche der Ort, wo Glauben gemeinsam gelebt wird, vor allem im Gottesdienst.
*Hast du jemals an Gott oder an an deinem Glauben gezweifelt?*
Ja, natürlich. Glauben im Gegensatz zum Wissen ist eine unsichere Sache. Wenn man daran nicht ab und zu zweifelt, stimmt irgendetwas nicht, würde ich sagen. Ich kann Gott nicht beweisen, ich kann nur an ihn glauben. Und manchmal kann ich auch nur an ihm zweifeln, auch das ist für mich Glauben.
*Was gibt dir den Glauben immer wieder zurück?*
Zurückgeben ist nicht das richtige Wort. Wiederfinden passt besser. Es ist wohl am ehesten so, dass ich manchmal das Vertrauen und die Zuversicht verliere und dann das Gefühl habe, ich habe Gott verloren. Bis jetzt habe ich ihn aber immer wieder gefunden.
*Gibt es Dinge an die du glauben solltest, weil es zu deinem Beruf gehören, das aber nicht kannst? Und wenn ja, wie gehst du damit um?*
Ja, natürlich gibt es Dinge, die zum christlichen Glauben gehören und damit für mich eigentlich zu glauben sind, an die ich nicht glauben kann. Die Bibel ist ein Buch, in dem viele verschiedene Ansichten, Meinungen und Glaubensrichtungen zusammen kommen, da kann nicht alles für jeden stimmen. Ich muss mir nur für mich klar darüber sein, woran ich glaube und woran nicht, und das muss dann für mich noch mit meinem Beruf einhergehen. Wenn das funktioniert ist alles in Ordnung.
*Wie gehst du damit um, wenn junge Leute, mit denen du zu tun bekommst, nicht gläubig sind?*
Damit gehe ich ganz normal um, würde ich sagen. Wenn jemand, der nicht glaubt, ein Interesse daran hat, mit mir über Glauben zu sprechen, spreche ich mit ihm oder ihr. Wenn jemand nicht darüber sprechen will, dann ist das auch in Ordnung. Das Interesse muss zunächst von meinem Gegenüber ausgehen (und dabei ist es mir egal, ob jemand in der Kirche ist oder nicht, und ob jemand an Gott glaubt oder nicht). Ich habe viele Freunde und Freundinnen, die nicht in der Kirche sind und nicht an Gott glauben, das ist für mich kein Kriterium für eine Person. Jeder und jede muss selbst wissen, was sie will. Ich helfe gerne beim Suchen oder erzähle von mir, aber letztendlich kann das jeder und jede nur für sich selbst wissen, woran sie glaubt.
Autorin / Autor: Julia Atze/Anne Steinmetz - Stand: 14. September 2004