Wegfiltern ist Wegschauen
Was also tun? Ist ein Verbot solcher Seiten denn überhaupt sinnvoll? Was passiert dann mit dem Grundrecht auf freie, ungehinderte und weltweite Kommunikation?
Sperren kontra Meinungsfreiheit
Am 8. Februar 2002 hat die Bezirksregierung Düsseldorf Sperrungsverfügungen gegen mehr als 80 Anbieter von Internet-Zugängen, sogenannte Access-Provider, erlassen, die solche Sites auf ihren Servern hatten. Der Chaos Computer Club (CCC) und auch andere Organisationen wie der Jugendpresseverband, die JungdemokratInnen und der virtuelle Ortsverband der SPD finden allerdings solche Maßnahmen gar nicht gut. Deshalb hatten sie für Samstag, den 6. April zu einer Demonstration in Düsseldorf aufgerufen. Unter dem Motto "Netz-Zensur in NRW - Wegfiltern ist Wegschauen" riefen sie gemeinsam mit rund 300 anderen Menschen dazu auf, problematische Inhalte nicht mit technischen Mitteln zu bekämpfen. Ihre Argumente waren, dass man die Sperrungen ohnehin leicht umgehen kann, und dass eine solche Zensur gegen das Grundgesetz verstößt. Deshalb schlugen sie vor, dass die Regierung sich darauf konzentrieren soll, die Medienkompetenz zu fördern und die Gesellschaft so zu stärken, dass sie gegen die *Inhalte* rechtsextremer Gruppen immun wird. "Ein Wegfiltern dieser Seiten würde unterbinden, dass sich jeder Netzteilnehmer ein eigenes Bild der gesellschaftlichen Probleme machen kann, um sie so besser verstehen und bekämpfen zu können!" vertrat der CCC. Auf ihren Plakaten war dann auch zu lesen: "Konzepte gegen Rechts statt Filter" und "Bilden statt Filtern".
Nicht das Internet, sondern die Täter verfolgen!
Die GegnerInnen der Zensur sind in eine schwierige Lage geraten: obwohl sie alles andere als rechts sind, werden sie als SympathisantInnen der Nazis verunglimpft. Dabei geht es ihnen einzig und allein um den Erhalt eines freien und unzensierten Netzes. Sie sind der Meinung, dass man ein gesellschaftliches Problem wie Rechtsextremismus nicht durch Zensur und Bestrafung aller Bürger lösen kann. Auch der Beauftragte für Neue Medien der SPD-Bundestagsfraktion, Jörg Tauss, will lieber junge Menschen in die Lage versetzen, "kompetent und verantwortungsbewusst mit diesen neuen Medien umzugehen". Nicht das Internet solle verfolgt werden, sondern die Täter. Aber gerade das ist sehr schwierig, weil die Täter sich gut zu tarnen verstehen. Trotzdem ist eine Sperrung von Internetzugängen sehr problematisch, weil eine staatliche Kontrolle eine Zensur darstellt, die dann auch vor anderen Inhalten keinen Halt macht. Besser wäre eine freiwillige Selbstkontrolle der Provider: Sie könnten ja ablehnen, Webspace für solche Seiten bereitzustellen. Außerdem gibt es auch noch andere Wege und Mittel, rechtsextreme Seiten zu "stören", zum Beispiel durch sogenannte "virtuelle Sitzblockaden" (siehe Link zu Online-Demonstration).
Wirtschaftsinteressen zerstören Kulturraum
Zusätzlich befürchtet der CCC, dass eigentlich wirtschaftliche Interessen hinter dem Zensurversuch stehen. Die in Bonn ansässige Firma Bocatel zum Beispiel will Filterprodukte an die Regierung verkaufen und sich so Tür und Tor öffnen, um noch mehr Kunden für ihre Produkte zu gewinnen, so möglicherweise die Musikindustrie. "Hier beginnen wirtschaftliche Interessen, einen Kulturraum zu zerstören", sagte CCC-Sprecher Andy Mueller Maguhn.
padeluun, Künstler und Veranstalter des deutschen Big-Brother-Awards hat das Problem ganz treffend auf den Punkt gebracht: "Zensur ist immer falsch. Zensur ist kein adäquates Handlungsmittel in einer Demokratie. [...] Es ist sinnlos, die Freiheit dadurch schützen zu wollen, dass man sie abschafft. Ich erwarte von einer sich als demokratisch verstehenden Regierung, dass sie diese demokratischen Werte anerkennt und verteidigt."
Autorin / Autor: Rosi Stolz - Stand: 25. April 2002