Mädchensache - Teil 2

von Marianna Glanovitis

Gerade wollten sie loslaufen, da ertönte eine Stimme von hinten: „Sara, es ist Schlafenszeit!“ Dominik! Nicht schon wieder!
„Aber es ist doch erst…“, setzte Sara an.
„Zehn!“, ergänzte Dominik. „Unser Vater hat gesagt: kleine Mädchen gehen um zehn ins Bett.“
„Das war vor drei Jahren“, protestierte Sara.
„Aber du sollst trotzdem jetzt ins Bett", sagte Dominik. „Das hat er gesagt. Also, auf geht’s, Mädels!“
Seufzend gingen die Mädchen Richtung Saras Wohnwagen davon.
„Ich verstehe das nicht, wieso lässt er mich um zehn Uhr ins Bett gehen wie ein kleines Kind“, schimpfte Sara.
Dann stöhnte sie. „Tut mir leid, aber das wirft alles über den Haufen. Unsere geplante Spionage müssen wir wohl auf morgen verschieben.“
Seufzend marschierten sie zum Stellplatz von Sara.
„Na, schon zurück?“, empfing sie Saras Vater.
„Du hast doch gesagt...“, fing Sara an.
Da brach Saras Vater in lautes Lachen aus. „Ihr meint wohl eher: Dominik hat gesagt! Er sollte euch ausrichten, dass ihr um elf Uhr ins Bett sollt! Aber ihr kennt doch Dominik! Er hat wahrscheinlich eine Stunde weggenommen!“
Aufatmend verließen die Mädchen den Stellplatz, wo sie von Dominik empfangen wurden. „Haha! Reingefallen!“, schrie er lachend.
Saras antwort war eine Ohrfeige, die so heftig war, dass sich Dominiks Ohr augenblicklich rot färbte. Während sich Dominik noch das Ohr hielt, spurteten die drei Mädchen los.
„Wo wollt ihr denn hin?“, schrie Dominik ihnen hinterher.
„Mädchensache!“, gab Sara zurück und rannte weiter.
Sie hörten es hinter sich scheppern und krachen und sahen Dominik hinter einem kleinen Zelt hervortaumeln. Sie hatten jedoch keine Zeit sich totzulachen, denn sie hatten nur ein Ziel: den Wohnwagen des Verdächtigen.
Angekommen, legten sie sich in das Gebüsch das ihn umgab und beobachteten den Wohnwagen. „Es ist praktisch, wenn sich Verdächtige im Wald verstecken.“ Licht brannte im Wohnwagen.
„Sieh an“, sagte Sabine. „Es sieht mir ganz danach aus, als hätte sich unser Verdächtiger entschieden, auf seinen Stellplatz zurückzukehren.“
„Still, Sabine!“, zischte Sara. „Hörst du das nicht?“
Jetzt hörten es auch die anderen beiden.
Ein Handy klingelte.
Jemand hob ab und sagte: „Lukas Gramer hier... ja, ich habe den Auftrag bald erfüllt... ich habe fast alles, was ich brauche... bald bin ich fertig!“
Dann legte er auf. Hinter den Mädchen raschelten die Zweige und eine Stimme fragte nicht gerade leise: „Was habt ihr hier zu suchen?“
Dominik! Nicht schon wieder!
Sie sahen gerade richtig Wohnwagen, als die Tür auf ging und Lukas heraus kam.



2. Lukas

Den Mädchen blieb fast das Herz stehen vor Schreck. Dominik rannte sofort weg, so schnell ihn seine Beine trugen.
Die Mädchen blieben einfach stehen und sahen den jungen Mann an, der da aus seinem Wohnwagen trat.
Im Licht von Sabines Taschenlampe funkelten seine Augen gespenstisch in der dunklen Nacht. Er hatte eine Taschenlampe dabei, mit der er nun auf die Mädchen leuchtete. „Wer seid ihr?“, rief er. „Was wollt ihr hier?“
Die Mädchen warfen sich einen Blick zu und sprinteten los. So schnell sie konnten, rannten sie in den Wald, nur weg von diesem komischen Mann.
Plötzlich blieb Lea unvermittelt stehen und schrie auf.
„Mein Knöchel!“, jammerte sie laut los. „Mein Knöchel tut so weh!“
„Lea, bist du von allen guten Geistern verlassen?“, zischte Sabine. „Er hört dich doch!“ Da tauchte Lukas’ Schatten auch schon hinter einem Baum auf. Schnell pressten sich die Mädchen an einen Baum.
„Ich habe euch doch gerade eben erst gehört!“, rief Lukas. „Wo seid ihr? Ich finde euch!“ Plötzlich verlor Lea den Halt. Ihr verstauchter Knöchel hatte nachgegeben.
„Dieser Dominik, ich bringe ihn um!“, murmelte Sabine. Sofort drehte sich Lukas um und ließ seine Taschenlampe an den Baum schweifen, an den sich die zitternden Mädchen pressten.
„Was hattet ihr bei meinem Wohnwagen zu suchen?“, knurrte er bedrohlich.
Die Mädchen antworteten ihm nicht.
„Was habt ihr bei meinem Wohnwagen gemacht?“, fragte Lukas noch einmal und machte einen drohenden Schritt auf die Mädchen zu.
„Mädels, es ist Zeit zu gehen!“, sagte plötzlich eine Stimme hinter ihnen.
Sie fuhren herum. Aus dem Schatten des Waldes trat plötzlich ein Mann, den sie auf Anhieb mochten. Er hatte kurze, blonde Haare und war dünn und groß.
„Die Mädchen gehören zu mir“, sagte der Mann. „Wir waren hier nur spazieren!“ Lukas funkelte den Mann wütend an. Doch dann schien er es sich anders zu überlegen und ließ sie durch.
„Wir sehen uns noch“, zischte er den Mädchen im Vorbeigehen zu. „Eher, als euch lieb ist!“
„Das möchte ich wohl hoffen“, sagte Sabine und grinste verschmitzt.
Lukas drehte sich um und verschwand. Sabine sah ihm nach, bis ihn Wald und Nacht verschluckt hatten.
„Komischer Kauz!“, murmelte sie. Dann lief sie eilig ihren Freundinnen hinterher. Auf einem Platz am Wegesrand, den eine helle Straßenlaterne beleuchtete, machten sie schließlich Halt.

„Ich bin Thomas“, stellte sich der Mann vor. „Und wer seid ihr?“
Die Mädchen stellten sich der Reihe nach vor.
„Aha, nett euch kennen zu lernen“, sagte Thomas. „Aber nun mal ehrlich, was hattet ihr bei diesem… Wie heißt er eigentlich?“
„Lukas“, sagte Sara.
„Ja, genau, Lukas… Was hattet ihr bei ihm zu suchen?“
„Das werden wir Ihnen nicht auf die Nase binden“, brummte Sabine. „Wir wissen ja nicht einmal mehr über Sie, als Ihren Namen!“
„Sabine!“, Sara stieß ihrer Freundin in die Rippen. „Sei nicht so unhöflich! Also, wir haben…“
„Hast du eigentlich schon bemerkt, wie spät es ist?“, fragte Lea.
„Nein, wieso?“, Sara brach irritiert ab.
„Es ist zehn Minuten vor elf, du musst in zehn Minuten im Bett liegen. Und das hat dein Vater gesagt, nicht Dominik!“, erklärte Sabine.
„Also, auf Wiedersehen!“, sagte Sara zu dem Mann. „Und danke, dass Sie uns aus der Patsche geholfen haben!“
„Wie wäre es“, fragte Thomas. „Wie wäre es, wenn ihr morgen einfach mit mir zum Eisessen kommt? Dann könntet ihr mir die ganze Geschichte von Anfang bis Ende erzählen!“
Dankend nahmen die Mädchen das freundliche Angebot an.

Auf dem Rückweg unterhielten sich die Mädchen über den netten Mann, der ihnen einfach so geholfen hatte.
„Also, ich finde, wir sollten Thomas ins Vertrauen ziehen!“, sagte Lea, die angestrengt versuchte, mit ihren Freundinnen Schritt zu halten.
„Aber wir sollten nicht einfach allem und jedem vertrauen!“, gab Sabine zu Bedenken. „Wir wissen wirklich nicht mehr von ihm, als seinen Namen.“
„Aber er war so nett!“, widersprach Lea. „Und außerdem...“, setzte sie hinzu. „Außerdem sind wir ihm etwas schuldig! Schließlich hat er uns aus der Klemme geholfen!“
„Na gut, überredet!“, seufzte Sabine. Dann setzte sie hinzu: „Aber dann muss er uns auch erklären, was er bei Lukas’ Wohnwagen zu suchen hatte!“
Kurz darauf fielen Sabine und Lea müde ins Bett.
Sie wollten nur noch eins: schlafen! Ihren ersten Tag in Kroatien hatten sie sich anders vorgestellt. Ganz anders!

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Autorin / Autor: Marianna Glanovitis - Stand: 16. Juli 2010