Die Ketten klimperten bei jeder Bewegung, die er sich traute zu machen. Die andauernde Dunkelheit wurde nur von einer kleinen Lampe in der Mitte des Raumes durchbrochen und die quälende Stille, welche sich in seine Gedanken einbrannte, wurde nicht einmal durch das Geräusch seiner Fesseln getilgt. Die Kälte des Bodens hatte schon lange seinen ganzen Körper durchdrungen und beraubte ihn jeglicher Fähigkeit etwas zu fühlen. Der letzte Funke Willenskraft, der ihm verblieb, stützte sich auf nur einen einzigen Gedanken, eine einzige Hoffnung. Aber auch dieser Schimmer war umringt von einer Dunkelheit, welche bis in das Unendliche mit einer einzigen Frage gespickt war. …
„Warum!?”, schrie eine strenge weibliche Stimme, als die Dame zur Tür hineinstürmte.
„Aus welchem Grund habe ich heute das Vergnügen den lieblichen Klang Ihrer Stimme zu vernehmen, Leutnant?”, entgegnete ein Mann in militärischer Uniform mit unüberhörbarem ironischem Unterton.
„Oberst, aus welchem Grund wurde ich der Reserve zugeteilt?”, fragte die junge Frau aufgebracht.
Ihr Vorgesetzter seufzte und nahm danach einen tiefen Atemzug, bevor er seine Antwort formulierte: „Leutnant Vess, Sie sind Soldatin der Aufklärungstruppe und spielen deshalb auch für andere Operationen eine wichtige Rolle! Werden Sie sich dessen endlich bewusst.”
Vess traute sich nicht mehr zu antworten und verließ den Raum, nachdem sie den Befehl dazu erhielt, immer noch unzufrieden mit der erhaltenen Antwort.
„Wie lief das Gespräch mit dem Oberst?”, fragte eine erwartungsvolle Stimme, als Vess durch die Tür kam und ein einzelner aufgebrachter Blick ihrerseits ließ alles in näherer Umgebung verstummen.
„Sieht aus als wäre der Leutnant angefressen”, hallte es aus einer anderen Ecke des Raumes.
„Havok, Gravin, Corelan, Mavor aufstellen!”, schrie Vess und augenblicklich eilten die Vier auf ihre Positionen, korrigierten ihre Haltung und spitzten die Ohren. Der Leutnant nahm sich einen kurzen Augenblick, bevor sie ihre Einheit informierte: „Wir werden nicht Teil der Operation sein. Unsere Einheit wurde der Reserve zugeteilt. Ich habe unsere Bedenken bereits vorgetragen, jedoch wurden sie abgewiesen.”
„Nachdem wir den Großteil der Voraufklärung übernommen haben, können die uns nicht einmal einen Gefallen tun?”, fragte Mavor sichtlich aufgebracht. Vess signalisierte ihrer Untergebenen zuerst, dass sie sich beruhigen solle und fuhr dann fort: „Auch wenn wir diese Mission aussetzen, bin ich mir sicher, dass wir bald eine neue bekommen.”
Tatsächlich klopfte es kurz darauf an der Tür und ein Bote übergab Vess die Details für eine neue Mission.
„Ein ehemaliges Gefangenenlager auf Testos 4”, grübelte der Leutnant gedankenlos laut vor sich hin.
„War das nicht einmal ein Minenplanet?”, fragte Corelan in die Runde.
„Bevor es vom Feind eingenommen und umfunktioniert wurde”, fügte Havok hinzu.
Nach dem alle ihren Schlaf gefunden hatten, fand sich der Trupp von Leutnant Vess auf der verlassenen Oberfläche von Testos 4 wieder.
„Wie sind Sie eigentlich zum Aufklärungstrupp gekommen, Leutnant?”, fragte Havok neugierig, woraufhin er einen warnenden Blick von seinen Kameradinnen kassierte, welche jedoch mit einer beruhigenden Geste von Vess besänftigt wurden.
„Ich liebe die Sterne und möchte herausfinden, was hinter jedem einzelnen verborgen liegt. Es mag etwas kindisch klingen, dennoch ist dies der Gedanke, der auch schon meinen Vater ins All getrieben hat”, antwortete Leutnant Vess mit nostalgischem Blick.
„Wonach suchen wir hier eigentlich?”, schallte es aus der letzten Reihe der Formation.
Vess beantwortete die Frage mit einem schlichten Fingerzeig auf ein Gebäude, welches sich auf einem Hügel etwas abseits ihrer aktuellen Position befand.
„Was ist mit ihrem Vater?”, flüsterte Havok zu Corelan, als sie nebeneinander hergingen.
„Du solltest sie das zwar selbst fragen, aber ich sag es dir dennoch”, die Soldatin nahm einen kurzen Atemzug, bevor sie antwortete, „Er wurde vor langer Zeit entführt. Er ist ebenfalls ein Grund, weshalb der Leutnant dem ganzen hier angehörig ist. Sie sucht ihn.”
„Wir teilen uns auf. Laut Scans befindet sich nichts Lebendiges mehr auf diesem Planeten, bleibt dennoch wachsam. Ihr geht in Trupps von zwei voran, in der Zwischenzeit nehme ich mir den Generatoren-Raum vor und sehe zu, dass ich etwas Licht ins Dunkle bringe. Los!”, befahl der Leutnant und jeder wandte sich seiner Aufgabe zu.
Lediglich das Licht ihrer Taschenlampe erleuchtete den Gang, während die Soldatin aufmerksam einen Schritt nach dem anderen machte. Nach kurzer Zeit fand sie dann den gesuchten Raum, aber als sie ihn betrat, fand sie mehr als nur ein paar Generatoren. Eifrig stellte Vess die Stromversorgung wieder her. Als die Deckenlampen den Raum vollständig erhellten begann sie sich durch die überall verstreuten Papiere zu arbeiten, eines fesselte ihre Aufmerksamkeit dabei besonders. Es war zwar etwas verbrannt, dennoch waren die meisten Informationen darauf noch gut zu erkennen, ganz besonders der Name des beschriebenen Projekts ganz oben: Polarstern.
Dies war auch der Spitzname, den ihr Vater ihr als Kind gegeben hatte, weil Vess ihn immer bei der Hand nahm und herumführte, wie ein Polarstern die Seefahrer in antiken Zeiten. Augenblicklich schnellten ihre Erinnerungen von damals wieder hoch und Vess sah vor sich, wie sie und ihr Vater damals immer nachts die Sterne beobachteten und sie sich gegenseitig versprachen, eines Tages jeden einzelnen zu bereisen. Als sich der Leutnant weiter durch das Dokument arbeitete, fand sie heraus, dass ihr Vater der Verfasser war und diese Anlage als versteckte Forschungsanlage diente, welche von der Regierung in Auftrag gegeben wurde, für die sie kämpften. In dieser Anlage sollte eine neue Art von Waffe getestet und hergestellt werden, die den Krieg schon damals entschieden hätte, jedoch ging ebenfalls hervor, wie grausam und menschenverachtend ihr Einsatz gewesen wäre. Plötzlich wurde Vess von einem dringenden Funkspruch ihres Trupps aus ihren Gedanken gerissen.
„Leutnant, wir werden von allen Seiten überrannt! Erbitten sofortige Unterstützung!”, schrie Gravin in ihren Kommunikator und sofort darauf folgten weitere Notrufe von Havok und Mavor. Vess war nun vor eine Wahl gestellt und musste sich schnell entscheiden...