Consecratio
Wettbewerbsbeitrag von Tizian C. Bendel, 18 Jahre
Noch ganz lebendig konnte sich Asta an den Tag erinnern, da Forschungsinstitute aus allen Teilen der Erde gemeldet hatten, man habe Seelen in den Sternen entdeckt.
„Seelen!“, hatten damals alle ihre Geschwister gespottet. Sie aber, damals gerade erst siebzehn Jahre alt, hatte in diesem Wort etwas gesehen, das alle anderen zu übersehen schienen. „Seelen“, dachte sie, „hat Ovid also Recht behalten?“
Asta konnte sich ein herzhaftes Lachen nicht verkneifen, als sie an diese Zeiten zurückdachte. Jetzt stand sie allein vor dem gewaltigen Panoramaglase ihres Raumschiffes und blickte den Sternen direkt ins Angesicht.
„Ich bin so weit gekommen“, flüsterte sie. Dann hob sich lachend ihre Stimme: „Lateinlehrerin! – Gut, dass ich Astronautin geworden bin!“ Mit diesen Worten schlug Asta ihre Faust gegen die Scheibe und wandte sich um. Sie trat an ihren Raumanzug heran, der im hinteren Teil des Schiffes von einem festen Metallgerüst gehalten wurde, und strich mit der Hand über den rauhen Stoff. Dann sah sie in ihr Spiegelbild im Visier des Helmes und sagte entschlossen: „Waidmannsheil!“
Inmitten der leeren Fülle des Weltalls öffnete sich langsam die hintere Luke des Raumschiffes, das Asta auf den inoffiziellen Namen „Die Consecratio“ getauft hatte. Vorsichtig, wenngleich aufgeregt tastete sich die junge Astronautin daraus hervor und nahte den Sternen.
„Kommt schon“, flüsterte sie, „zeigt mir eure Seelen“. Und dann sah sie etwas, das vor ihr noch keine Sterbliche je gesehen hatte. Unter den Sternen, da lebten tatsächlich Seelen – und einige davon wirkten sogar seltsam vertraut. Des Atems benommen schwebte sie auf sie zu, bis sie feststellte, dass sie schon längst zu allen Seiten von ihnen umgeben war. Und dann erkannte sie wirklich eine der Seelen.
„Aber… Ich habe ein Foto, ich habe ein Foto von seinem Abbild gesehen – in einem Schulbuch“, stotterte Asta. Vor sich sah sie… Aber nein, sie musste sich doch irren!
Ehrfurchtsvoll schwebte sie an die Seele heran, die zu ihrer Rechten und zu ihrer Linken jeweils von einer weiteren begleitet wurde. Asta wusste nicht, was sie sagen sollte. Verzweifelt suchte sie sich die letzten Reste ihres lateinischen Vokabulars zusammen und begann: „Verzeiht, ich bin Asta Eckehard aus den Landen der Haiderbach. Ich komme, um…“
Doch die rechte Seele unterbrach sie sogleich. Sie war von angenehmer Gestalt, sprach aber mit unbarmherziger Stimme: „Weib! Weiß sie denn nicht, zu wem sie spricht!“
Jedoch auch sie wurde unterbrochen. Nun erhob die Seele in der Mitte die Hand und sprach: „Maecenas, es genügt“. Dann wandte sie sich mit stechendem Blicke an Asta und setzte in seiner lateinischen Muttersprache zur Rede an: „Ich bin Imperator Caesar Divi Filius Augustus aus dem Geschlecht der Julier, Erbe des Aeneas und Spross der Venus! Wie wagst du es, so zu mir zu kommen, Sterbliche? Zu mir, der ich ein Gott bin!“
Mit diesen Worten wandten sich die zwei Seelen ab und verblassten. Die dritte aber, die zur Linken des Monarchen gestanden hatte, die ganze Zeit über beharrlich schweigend, ging jetzt auf die junge Astronautin zu. Die Seele war ein wunderlicher Mann mit Zweigen im Haar. Er hob die Stimme an und schien dabei einen eigenartigen Takt in der Stimme zu tragen: „Asta Eckehard, o wie weit bist Du nur gekommen? Hole uns nimmer zurück: Wir sind mit Rechte vergangen!“
Dann entschwand auch die dritte Seele, doch ihre Worte hallten noch lange in Astas Geiste nach, wie sie inmitten der Sterne schwebte.
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Die Über All Lesung
Lasst euch von sieben der Preisträger:innen des Wettbewerbs Über All in ferne Welten entführen
Die Über All-Preisträger:innen
Vielen Dank an alle Teilnehmenden für diese spannenden Exkursionen ins All und herzlichen Glückwunsch den Preisträger:innen
Die Über All Jury
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Preise - Das gibt es zu gewinnen!
Schirmherrin Dr. Suzanna Randall
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